Wilhelm Heinsius (1890 ‒ 1967)

Pfarrer, Religionslehrer, Kirchenhistoriker

 

 

1928 ‒ LKA KA 154.Nr.1492 [1]

Wilhelm Heinsius kann als ein bewundernswertes Beispiel dafür gelten, wie ein Pfarrer, zumal in einer abgelegenen Landgemeinde mit mehreren Dörfern, sogar mit einem Nervenleiden, als Kriegsfreiwilliger aus dem Ersten Weltkrieg mitgebracht, vielfach kirchenhistorisch arbeiten und veröffentlichen konnte, mit intensiver Auswertung von Quellen, einschließlich einer zweifachen Promotion.

 

      Quellen: Landeskirchliches Archiv Karlsruhe: PA: 2.0, Nr. 621 (mit sehr umfangreicher, detaillierter maschinenschriftlicher

Aufstellung aller Tätigkeiten 19331944) u. Nachlass 150.002 (Vorträge zu Blumhardt, Melanchthon und Oberlin; Aufsätze zu Feuerbach, Thoma u. zur Soziallage des Pfarrerstandes; Materialsammlung zu Melanchthon u. zum Melanchthonhaus Bretten sowie zu einer Bibelwoche 1936 mit Karl Heim;); Generallandesarchiv Karlsruhe: 235/9397. — (Eigene PA u. getrennter Nachlass der Ehefrau Maria Heinsius).
 

     Veröffentlichungen: Aloys Henhöfer und seine Zeit, Karlsruhe 1925 (aufgrund der Lizentiatenarbeit Heidelberg 1920); Krisen katholischer Frömmigkeit und Konversionen zum Protestantismus, Berlin 1925 (Diss. phil. Heidelberg 1921); gedr. Vorträge, u.a.: Selbstbestimmung der Kirche im Abwehrkampf gegen die antichristlichen Mächte der Gegenwart, 1931 (Sonderduck. aus den Kirchlich-Positiven Blättern); Aloys Henhöfer und seine Zeit, neu hrsg. von Gustav Adolf Benrath, Neuhausen-Stuttgart u. Karlsruhe 1987 (Veröffentlichungen des Vereins für Kirchengeschichte in der Ev. Landeskirche in Baden, 36).

 

      Literatur: keine, außer den Vorworten 1925 und 1987 im Buch »Aloys Henhöfer und seine Zeit« —: die erste (und unüberholt einzige) ausführliche Biographie des konvertierten Priesters und Hauptes der badischen Erweckungsbewegung im zeitgeschicht-lichem Kontext mit wiss. Anspruch, aufgrund von Quellen erarbeitet; eine historische und psychologische Darstellung mit religiöser Absicht; 1987 in den Anmerkungen und mit Beigaben (Zeittafel, Personenregister) und Abbildungen ergänzt sowie mit einem stark erweiterten Quellen- und Literaturverzeichnis. – G. Schwinge, Art. in: BBKL XXXVIII (2017), Sp: 669‒672

 

Friedrich Wilhelm Karl Paul Heinsius, badischer Pfarrer, Lic. theol., Dr. phil., wurde in Suhl in Thüringen geboren, wo sich sein Vater vorübergehend im Militärdienst aufhielt, wuchs aber in der Familienheimat Freiburg auf und studierte von 1911 an Philosophie und Theologie in Freiburg, Straßburg und Heidelberg. Während des Studiums arbeitete er zeitweilig in der Inneren Mission und in der Industrie. Als Kriegsfreiwilliger nahm er von 1914 bis 1917 am Ersten Weltkrieg teil, wurde verletzt und, wie allgemein üblich, mehrfach dekoriert, behielt jedoch ein anhaltendes Nerven-leiden. 1917 wurde er nach den beiden theologischen Examina in der badischen Landeskirche als Pfarrkandidat rezipiert. Anschließend war er Vikar in Boxberg, Mannheim-Sandhofen, Mannheim-Waldhof und Waldkatzenbach. Von 1919 an war H. Pfarrer in Strümpfelbrunn (KBez. Mosbach). 1920 wurde er in Heidelberg bei Johannes Bauer (Lebensbilder, Band III, 2020; BBKL I, 1990, Sp. 418-420) über Aloys Henhöfer zum Lic. theol. promoviert und 1921 ebenfalls in Heidelberg mit einer religionspsychologischen Untersuchung zum Dr. phil. (bei Karl Jaspers [BBKL II, 1990, Sp. 1567-1578]. 1925 wurde er zum Pfarrer in Bretten gewählt, 1933 wurde H. auf Vorschlag der badischen Kirchenregierung nach Anforderung durch das Kultusministerium auf die Stelle eines Religionslehrers mit dem Titel eines Professors an die Rotteck-Oberrealschule in Freiburg versetzt. 1935 und 1937 bewarb er sich auf Gemeinde-pfarrstellen in Freiburg, sollte jedoch nach der Entscheidung des Oberkirchenrats aus finanziellen Gründen, d. h. wegen der vom Staat übernommenen Besoldung, im Schuldienst verbleiben. Während des Zweiten Weltkriegs leistete H. gleichwohl häufig pfarramtliche Vertretungsdienste und Predigtaushilfe. Von 1946 bis zum Ruhestand 1956 wurde H. als Gefängnisseelsorger für politische Gefangene im Landesgefängnis und in einem Arbeitslager eingesetzt, anfangs vorübergehend auch im Schuldienst. — Im Januar 1918 hatte er die Theologin Dr. theol. Maria Heinsius geb. Stoeber (1893–1979, Lebensbilder Band IV, 2015; BBKL XXXII, 2011, Sp. 656-659) geheiratet; das Ehepaar, das bis zuletzt dieselbe Haushälterin beschäftigte, bekam keine Kinder. — In den 1920er Jahren  entwi-ckelte H. eine rege Vortragstätigkeit. Im »Dritten Reich« stand er der Kirchlich-Positiven Vereinigung und der Ba-dischen Bekenntnisgemeinschaft nahe, ohne sich jedoch zu exponieren. 1938 leistete er als Staatsdiener vor dem Direktor seiner Schule den Treueid auf den Führer. — H. verstarb am 1. Februar 1967 (nicht am 1.6., wie irrtümlich z. T. angegeben wird) in Freiburg.

 

Bildnisse in: LKA Karlsruhe Bestand 154 (Fotos, Bilder)

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© Gerhard Schwinge