Fünf Bürger der Karlsruher Gesellschaft um 1815

Weinbrenner, Hebel und Brauer, Kalmück und Sophie Reinhard

 

Karlsruher Zeitgenossen, die auf dieser Website im den "Verschiedenen Texten" vorgestellt wurden und zu Beginn des 19. Jahrhunderts gleichzeitig in Karlsruhe lebten und wirkten oder Karlsruhe besuchten.

(mit Geburts- und Todesjahr und gelb markierten Zeiten ihrer Anwesenheit in Karlsruhe)

 

Zweifellos zählen Weinbrenner und Hebel zu den bekanntesten Karlsruhern, obwohl sie vor 200 Jahren lebten und wirkten, etwa gleich alt und gleich lange in Karlsruhe lebend. Straßen und viele Schulen sind bis heute nach Ihnen benannt: die Weinbrennerstraße und der Weinbrennerplatz in der Weststadt und sogar ein Weinbrennerhaus am Markt; und die Hebelstraße neben der Evangelischen Stadtkirche am Markt.

Über die beiden genannten und die vier folgend dargestellten bekannten Karlsruher hinaus gab es auch andere in diesen Jahren, die hätten berücksichtigt werden können: der Biologe und Direktor des Naturalienkabinetts Geheimer Hofrat Karl Christian Gmelin, die zwei weiteren Hofmaler Philipp Jakob Becker und Carl Kuntz, der Kunstlehrer und Hofhistoriker Aloys Schreiber, der Verleger Christian Friedrich Müller (C. F. Müller), der Geheime Hofrat und Berater des Großherzogs in Geistli-chen Dingen Johann Heinrich Jung-Stilling, die Kirchenräte Nikolaus Sander und Johann Ludwig Ewald ‒ und andere mehr.

Über Weinbrenner und Hebel ‒ wie über die nachfolgend genannten Karlsruher ‒ gibt es eine Vielzahl von vor allem unselbständig erschienener Literatur in Zeitschriften und Sammelwerken, welche hier nicht nachgewiesen werden können, und auch Monographien, die eine oder andere wichtige, ältere oder neue wird genannt.

 

 

Friedrich Weinbrenner (1766‒1826), Architekt und Stadtplaner des Klassizismus, seit 1815 verw., 2 Töchter

Wie Weinbrenner waren ebenfalls andere der hier dargestellten Honoratioren viel auf Reisen und damit immer wie-der von Karlsruhe abwesend, mit Ausnahme von Hebel, der sich jedoch häufig ins Oberland zurückzog, also in seine südbadische Heimat. Weinbrenner und Hebel wurden bald enge Freunde. Hebel und viele anderen Honoratioren wechselten in Karlsruhe oft ihre Wohnung, mit Ausnahme von Weinbrenner. Dieser baute für sich ein repräsentatives Wohnhaus auf einem ihm vom Großherzog geschenkten Grundstück am Ettlinger Tor / Ecke Schlossstraße (der heutigen Karl-Friedrich-Straße), mit der angebauten von ihm gegründeten Bauschule für seine Bauschüler. Wein-brenners Haus bildete. für einen Kreis Karlsruher Künstler und Gelehrten den Mittelpunkt. (nach Arthur Valdenaire, Friedrich Weinbrenner, sein Leben und seine Bauten, 2. Auflage, Karlsruhe 1926, S. 323.)

 

Der eigentliche Versammlungsort des gehobenen Bürgertums war jedoch die sogenannte Lesegesellschaft, eine kulturelle Zusammenkunft, zuerst in in Gasthäusern gemieteten Sälen, später, seit 1813/14 dann im von Weinbren-ner an der Langen Straße / Ecke Ritterstraße errichteten großen, aufwendigen Museumsgebäude, mit Spiel- und Konversationszimmern, Restaurant, Tanz- und Konzertsaal, Leseräumen und einer Bibliothek.

 

Baden und speziell Karlsruhe waren seit 1796 in die Koalitionskriege, und dann besonders durch die Heirat von Erb-prinzip Karl mit Napoleons Stieftochter Stéphanie de Beauharnais von 1806 bis 1812 stark in die Napoleonischen Kriege eingebunden, mit Einquartierungen der Armeen, mit Rekrutierungen von Badenern, mit Kriegskosten belastet; Ende 1813 suchten dann auch die zaristischen Truppen Karlsruhe heim. ‒ Um 1815 hatte Karlsruhe rund 15.000 Einwohner. ‒ 1816/17 gab es in Baden, wie in weiten Teilen Süd- und Westeuropas eine Wetterkatastrophe mit einem kalten „Sommer ohne Regen“ und ohne Ernten, mit nachfolgenden Hungerjahren. ‒ 1818 erschien zum ersten Mal ein komplettes Adressbuch der Stadt Karlsruhe.

 

        Die wichtigsten Karlsruher Bauwerke Weinbrenners waren:

Literatur: Arthur Valdenaire, Friedrich Weinbrenner, sein Leben und seine Bauten. 4. Aufl., Karlsruhe 1985, 348 S., Abb. (= Nachdruck der 2. Aufl. 1926) ‒ Petra Reategui, Weinbrenners Schatten. Hist. Kriminalroman, 2014 (bis S. 289 Roman, S. 292-332 hist. Anhang)

 

 

 

 

 

Johann Peter Hebel (1760‒1826), Gymnasiallehrer, Kirchenrat und Volksschrift-steller, ledig

 

       Becker: Hebel, zwischen 1800 und 1810,

                       (Wikimedia Comons)

Johann Peter Hebel wurde nicht ‒ wie Weinbrenner ‒ in Karlsruhe geboren, auch wenn er Jahrzehnte dort lebte, sondern in Basel, und wuchs im Wiesental im Süd-schwarzwald auf. Seine Eltern, die einheimische luthe-rische Mutter und der reformierte Vater, starben früh. Anders als die meisten seiner hier beschriebenen Freunde ist Hebel nie auf große Reisen gegangen, stattessen hat er sich immer wieder in die Heimat, ins „Oberland“ zurückgezogen, allerdings 1812 zum letzten Mal. Hier hatte er die Schulen seiner Jugendzeit besucht: in Basel, in Hausen, in Schopfheim.

 

Johann Peter Hebel hat jedoch die längste Zeit seines Lebens in Karlsruhe gelebt und gewirkt, fast 40 von 66 Lebensjahren, nämlich schon 1774 bis 1778 als Schüler des Gymnasium illustre und, nach dem Theologiestu-dium in Erlangen und 1780 dem theologischen Examen in Karlsruhe. Vor allem dann aber seit 1791, bis 1814 zunächst als Lehrer und Professor, ab 1808 als Direktor

des nun Lyzeum genannten Gymnasiums. Hebel unterrichtete Hebräisch, Griechisch, Latein und Geographie. 1808 zog das Lyceum in ein dreistöckiges Weinbrennerhaus am Markt, südlich der erst acht Jahre später eingeweihten Stadtkirche; Hebel wohnte von 1808 bis 1812 darin im dritten Stock.

 

1805 wurde er außerdem zum Kirchenrat ernannt und, nach der Einführung der Badischen Verfassung von 1818, 1819 zum ersten Prälaten der damals noch in Lutheraner und Reformierte geteilten evangelischen Kirche und damit zugleich zum Mitglied der Ersten Kammer der badischen Ständeversammlung. Also über 20 Jahre lang war er zugleich in der Leitung der evangelischen Kirche gebunden, einschließlich der Vorbereitung und Durchführung der Kirchenunion von 1821. Daraufhin Verleihung des Ehrendoktors durch die Theologische Fakultät der Universität Heidelberg.

 

Bereits 1798 war er ungewöhnlicherweise von der Verpflichtung der Theologen, monatlich einmal zu predigen, entbunden worden, zu seiner Genugtuung.

 

Bekannt und hoch geachtet wurde Hebel jedoch als Dichter, hier besonders durch seine Alemannischen Gedichte, die zunächst 1803 anonym, ab 1804 dann mit seinem Namen erschienen. 1820 schuf die Hofmalerin Sophie Reinhard (siehe unten) 10 Blätter Radierungen zu Hebels Alemannische Gedichte, in Mappe zum Verkauf; in einem Geleitwort lobte der Dichter die Künstlerin.

 

Ebenfalls wurde Hebel als Kalendermann bekannt, das heißt, er übernahm 1807 die Redaktion des badischen Landkalenders, der ab 1808 als „Rheinländischer Hausfreund“ (schließlich mi einer Auflage von ca. 40 000 Ex.) und 1811 auch als Sammelband mit ausgewählten Texten als „Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes“ erschien. 1814 bekam er wegen seiner Kalendergeschichte „Der fromme Rat“ Ärger mit der katholischen Kirche. Er nannte daraufhin den Kalender einen lutherischen Kalender. ‒ 1823/24 kam die von Hebel neu bearbeitete „Biblische Geschichte“ heraus.

 

Bei aller Arbeitslast in Schule und Kirche verstand es Hebel gleichwohl, sich Entspannung zu verschaffen: in Karlsruhe im Café Drechsler, im Theater, in der Lese-bzw. Museumsgesellschaft und in Baden-Baden in der Spielbank,. ‒ Hebel starb am 22. September 1826 in Schwetzingen auf einer Dienstreise.

 

Literatur: Swantje Rehfeld, Johann Peter Hebel, Leben und Werk, Dokumente zur Rezeption, Werkauswahl, Anhang. CD-ROM, Karlsruhe: Literarische Gesellschaft / Scheffelbund 2000, 475 S., 135 sw. Abb. (schlechte Qualität) ‒ Heide Helwig, Johann Peter Hebel. Eine Biografie, München: Carl Hanser Verlag 2010, 366 S., 10 Abb. (siehe auch die Buchbesprechung auf diesen Webseiten) ‒ Bernhard Viel, Johann Peter Hebel, oder Das Glück der Vergänglichkeit. Eine Biographie, München: C. H. Beck 2010, 296 S., zahlr. Abb., eine Karte

 

Hebels Porträtist Philipp Jakob Becker (1759‒1829) war, neben anderen Hofmalern, badischer Hofmaler und erster Galeriedirektor in Karlsruhe.

 

 

 

Johann Nicolaus Friedrich Brauer (1754‒1813), 1788 Geh. Hofrat, oberster Staatsbeamter Badens

 

Radierung eines unbekannten Künstlers, um 1780, GLA Karlsruhe J-Ac Nr. B 153 (Wkimedia Commons)

Der evangelisch-lutherische Jurist Friedrich Brauer stammte aus einer Juristenfamilie in meist adligen Diensten, wuchs im hessischen Büdingen auf und bewarb sich nach seinem Studium in Gießen und Göttingen 1774 erfolgreich um die Aufnahme in den badischen Staatsdienst. Markgraf Karl Friedrich förder-te und beförderte ihn schrittweise bis zum höchsten Beamten in Baden: 1788 Hofrat, 1792 Geheimrat, Direktor des Hofratskollegiums, Kirchenratsdirektor.
39 Jahre lang, bis zum Tod lebte er als Karl Friedrichs wichtigster Beamter in Karlsruhe und war der wesent-liche Reformer der Staatsordnung Badens in den ver-schiedenen Phasen von deren Entwicklung unter dem Markgrafen, Kurfürsten und Großherzog Karl Friedrich: von der Vereinigung der beiden Markgrafschaften 1771, der von Baden-Durlach (überwiegend evangelisch-lutherisch) und der von Baden-Baden (überwiegend katholisch), der des Kurfürstentum Baden seit 1803 (mit der überwiegend reformierten Kurpfalz) bis zum Groß-herzogtum Baden seit 1806. Brauers Veröffentlichungen während seiner stetigen Karriere zeugen davon: die Kirchenratsinstruktion 1797, die 13 Organisationsedikte von 1803 und die 9 Konstitutionsedikte von 1807.

Brauer war ein Förderer des sechs Jahre jüngeren Johann Peter Hebel. ‒ In seiner Archivordnung hat Brauer auch die vielbeachtete (und belächelte) badische „Oberrandlochung“ der Akten eingeführt. – 1897 und so bis heute wurde nach ihm in Karlsruhe eine große Straße benannt.

Dass Brauer in besonderer Weise mit der Tatsache der verschiedenen evangelischen Konfessionen und ihrer angestrebten Union befasst war, zeigte sich wiederholt an seinen Veröffentlichungen.

 

1797 Kirchenrats-Instruktion (Carlsruhe: Macklot, 422 S.), zur Egalisierung der Lutheraner und der wenigen Reformierten in der altbadischen Markgrafschaft:

 

1803 Gedanken über einen Kirchenverein beeder protestantischen Religionspartieen [sic] (Carlsruhe: Macklots
112 S.)

 

1807 Erstes Konstitutionsedikt: die Kirchliche Staatsverfassung betreffend; danach Evangelischer Oberkirchenrat von 1807 (Verwaltungsunion).

 

Bedeutsam war ebenso sein Wirken für die rechtliche Ordnung Badens:

 

1803 f. (nach dem Reichsdeputationshauptschluss 1803) 13 Organisationsedikte,

 

1807 ff. (nach der Gründung des Rheinbunds 1806 und damit dem Endes Alten Reiches) [9] Konstitutionsedikte

 

1809 Code Napoleon, bearb. als Badisches Landrecht, mit Zusätzen und Handelsgesetzen (Carlsruhe: Macklot 1809, XXXXVI S., 767 S. ‒ Erläuterungen, 4 Bde, (Karlsruhe: Müller 1809‒1810)

 

1803‒1805/07 war er maßgeblich zuständig für die Neuorganisation der Universität Heidelberg, zusammen mit Jung-Stilling im Hintergrund, bei der der Besetzung theologischer Lehrstühle mit kirchlich-konservativer Position, wie dieser und ihr Landesherr.

Brauer war trotz seiner Arbeitslast durchaus integriert in die Karlsruher Gesellschaft, so in die Lesegesellschaft und die spätere Museumsgesellschaft, zusammen mit seinen Freunden, vor allem: Hebel (6 Jahre jünger, dessen Berufskarriere er förderte ‒ Hebel war schon als Schüler am Karlsruher Gymnasium zwischen 1774 und 1778 bei ihm Kostgänger gewesen ‒ und den er auf Jung-Stilling und dessen Heimweh-Roman hinwies, vielleicht ebenso Markgraf Karl Friedrich); ferner zählten Jung-Stilling (14 Jahre älter), Weinbrenner (12 Jahre jünger) und Johann Ludwig Ewald (6 Jahre älter, er verfasste einen Nachruf auf Brauer). Brauer hatte eine große Familie, war nach dem Tod der ersten Ehefrau 1800, 1803 zum zweiten Mal verheiratet, mit einer 24 Jahre jüngeren Tochter aus dem Hause Preuschen, mit Kindern und Enkeln aus beiden Ehen.

 

Von kirchlicher Frömmigkeit geprägt, hatte er schon 1786 den Choral: Gott, mein Trost und mein Vertrauen gedichtet (6 Strophen, Nr. 639 im Regionalteil des Evangelischen Gesangbuchs für Baden, Elsass und Lothringen und Pfalz). Im badischen Gesangbuch von 1786 standen zehn Lieddichtungen von ihm.

Der Karlsruher katholische Jurist Würtz legte nun eine erste detaillierte Lebens- und Wirkgeschichte Brauers im zeitgeschichtlichen Kontext vor, welche mit dem Baden-Württembergischen Geschichtspreis 2003 ausgezeichnet wurde. Trotz des seltsamen Untertitels: Statt die Zeit Napoleons war es hier die Zeit Karl Friedrichs, Richtiger wäre gewesen: Brauer als Autor neuer rechtlicher Ordnungen in Staat und Kirche entsprechend der Entwicklung Badens von der alten Markgrafschaft (1771) bis zum Großherzogtum (1806).

Inzwischen seit 2019 Weihbischof der Erzdiözese Freiburg, hat Würtz 2011 in Freiburg auch in Kirchengeschichte promoviert.

 

Die Monografie über Brauer hat Würtz aufwendig aus zahlreichen ungedruckten und gedruckten Quellen erarbeitet. Anmerkungen werden erfreulicherweise als Fußnoten geliefert. Die Arbeit hat Lücken, wie nicht anders möglich; so fehlt z.B. S. 178 Jung-Stillings Rolle als vertrauter Berater Karl Friedrichs bei der Besetzung theologischer Lehrstühle bei der Neuorganisation der Universität Heidelberg 1803. Im Personenregister ist außer Brauer auch Karl Friedrich nicht aufgeführt. Umfangreiche Quellen- und Literaturverzeichnisse am Beginn verstehen sich von selbst. Die Arbeit ist chronologisch angelegt. Erst im letzten (VIII.) Kapitel behandelt Würtz „Privates“ S. 393‒415), einschließlich einer Charakteristik des durchaus auch schwierigen Brauer.

 

Literatur: Christian Würtz: Johann Niklas Friedrich Brauer (1754‒1813). Bad. Reformer in napoleonischer Zeit. Stuttgart: Kohlhammer 2005, XXXIV, 422 S., Abb. (Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Reihe B, Bd. 159.) Diss. jur. Heidelberg 2002/03 – Johannes Ehmann: Friedrich Brauer und die „Egalisierung“ der evangelischen Kirchen, in: Bildatlas zur badischen Kirchengeschichte 1800 ‒ 2021. Im Auftr. des Vereins für Kirchengeschichte in der Evang. Landeskirche in Baden, hrsg. Von Udo Wennemuth in Zusammenarbeit mit   . Ubstadt-Weiher, Heidelberg u. a. 2021. S. 116 f. ‒ ders.: Johann Niklas Friedrich Brauer (1754‒1813), in: Lebensbilder aus der evangelischen Kirche in Baden im 19. U. 20. Jh., Band I: Kirchenleitung, hrsg. von Udo Wennemuth, ebd. 2023, 672 S., 25 Abb., (Sonderveröffentlichungen des Vereins für Kirchengeschichte in der Evang. Landeskirche in Baden, Bd. 11), S. 66‒84, 1 Portr. ‒ Ewald, Johann Ludwig: Nekrolog auf Friedrich Brauer. In: Heidelberger Jahrbücher der Literatur – Intelligenzblatt 1813, Nr. 1, S. 95‒99.

 

 

 

 

Feodor Ivannoff (oder Iwanowitsch) genannt K a l m ü c k (um 1763/65‒1832), Hofmaler, ledig

Kalmück, Selbstbildnis, Aquarell 1791/1800, Kunsthaus Zürich, Malerbücher N 47

Die Herkunft, das Geburtsjahr und der Name des später Kalmück und von ihm selbst Feodor Ivannofff genannten Karlsruher Zeitgenossen waren unbekannt. Er muss zwischen 1765 und 1767 in der asiatischen Steppe geboren worden sein und wurde verschleppt und nach und nach als Page der Zarin Katharina in St. Peters-burg, der Markgräfin Karoline von Hessen-Darmstadt und ab 1774 von der badischen Markgräfin Amalie in Karlsruhe gefördert. Nach Unterricht in der Schweiz und dem Besuch von Kunst und Zeichenschulen in Karlsruhe brach Kalmück 1791 zu einer jahrelangen Studienreise auf ‒ wiederholt nach Rom und Athen zum Studium der antiken Baukunst und Skulpturen, ebenso nach London und Paris, nach insgesamt nach 15 euro-päische Städte.

Die „Romanbiographie“ von Petra Reategui über den „Hofmaler“ schildert in 51 Kapiteln die Jahre 1770 bis 1803, und damit die vielen Auslandsreisen Kalmücks, sowie die Karlsruher Jahre 1806, 1810/11, 1814, die durch die Freundschaft mit Oberbaudirektor Friedrich Weinbrenner und sein Leben in der Karlsruher Gesell-schaft geprägt waren, schließlich seine letzten Lebens-jahre 1831, 1832. ‒ (Wie reiste man damals und wie finanzierten die Künstler ihre Reisen?)

 

1806 wurde Kalmück wegen seiner besonderen zeichnerischen Begabung zum badischen Hofmaler ernannt und mit einem ungewöhnlich hohen, freilich mit bestimmten Pflichten verbundenen Jahressalär von 1500 Gulden jährlich ausgestattet. (Es gab zur selben Zeit, abgesehen von der Hofmalerin Sophie Reinhard ‒ siehe unten ‒ mindestens noch zwei badische Hofmaler: Philipp Jakob Becker (1759‒1829) war später erster Galeriedirektor in Karlsruhe; ebenso war Carl Kun(t)z (1770-1830) Hofmaler. Hofmaler gehörten nicht zur eigentlichen Hofgesellschaft, wie Hof-räte oder gar Geheime Hofräte. Die Vorsilbe Hof- durften sich unzählige Vertreter verschiedenster Berufe zulegen, wenn sie dem Hof irgendeinen Dienst leisteten, ohne dazu offiziell ernannt zu sein und eine Pension zu bekommen.)

Kalmück hat vor allem Zeichnungen und Radierungen antiker Sujets geschaffen, aber auch Porträts (so Weinbrenner wiederholt, als auch Hebel und Selbstbildnisse). Außerdem schuf er 1815 für seinen Freund Weinbrenner 13 Reliefs biblischer Szenen für die Emporenbrüstungen der Im Bau befindlichen Evangelischen Stadtkirche am Karlsruher Markt (im Zweiten Weltkrieg zerstört, keine Abbildung, nur Entwürfe erhalten).

Literatur: Margrit-Elisabeth Velte, Leben und Werk des badischen Hofmalers Feodor Iwanowitsch (1763‒1832), Karlsruhe 1973, VI, 281 S., Abb. (Diss. phil. Karlsruhe 1972) ‒ Johannes Werner, Der Kalmück. Das Leben des badischen Hofmalers Feodor Iwanowitsch, Ubstadt-Weiher, Heidelberg: verlag regionalkultur 2016, 79 S., Abb. ‒ Petra Reategui, Hofmaler. Das gestohlene Leben des Feodor Ivannoff genannt Kalmück. Bad Saulgau: Triglyph Verlag 2017, 399 S., zahlr. sw. Abb.

 

Jesus heilt einen Blinden. Einer der Entwürfe Kalmücks von 1815 für die Bemalung

der Emporenbrüstungen der Evangelischen Stadtkirche Karlsruhe

(Landesamt für Denkmalpflege Karlsruhe, Fotoarchiv 16606)

 

 

 

 

Sophie Reinhard (1775‒1844), Hofmalerin, ledig (nach gescheiterter Heirat)

Frühestes bekanntes Portrait von Sophie Reinhard im Alter von 28 Jahren.

Pastell auf Pergament von Philipp Jakob Becker aus dem Jahre 1803.

Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv.-Nr. 1977-4

Sophie Reinhard wurde in Karlsruhe geboren als Toch-ter des juristischen Beamten der Markgrafschaft Wil-helm Reinhard 1748‒1812). Nach Ausbildungs und Reisejahren, so auch nach Rom und zu der dortigen badischen Künstlerkolonie, wurde sie 1812/13 durch Fürsprache ihres Vaters und ihres Bruders Maximilian Wilhelm Reinhard (1776‒1858), später Staatsrat in Karlsruhe, zur Hofmalerin ernannt, mit 800 Gulden Jahressalär und den bei Hofmalern üblichen bestimm-ten Pflichten. 1814 kehrte sie nach einer gescheiterten Heirat nach Karlsruhe zurück, fortan ledig bleibend, in der Erbprinzenstraße 5 wohnend und durchaus inte-griert in die Karlsruher Gesellschaft, was vorübergehen-des schamhaftes Ausweichen nach Heidelberg und Reisen mit einer Freundin nicht ausschloss. ‒ Im Frühjahr 1818 wurde in Karlsruhe von 48 Gründungs-mitgliedern – darunter Johann Peter Hebel und andere hochge-stellte, kunstbegeisterte Personen sowie Karls-ruher Künstlern – ein Kunstverein ins Leben gerufen, der bereits im April 1818 eine Kunstausstellung im „Museum“ veranstaltete. Sophie Reinhard gehörte nicht zum Kreis der Gründungsmitglieder. Doch wurden von ihr bei dieser Ausstellung zwei Gemälde aus der Groß-

herzoglichen Galerie gezeigt, die sie dem Großherzog geschenkt bzw. als Pflichtbilder dort eingeliefert hatte.

 

Sophie Reinhard malte verschiedenste Sujets, vor allem Bildnisse, so Familienbildnisse und Selbstbildnisse und ein Bildnis Hebels 1810, sowie 10 Blätter nach Hebels Alemannischen Gedichten, „componirt und radirt“ 1810. In den Folgejahren war Hebel seinerseits immer über die künstlerische Laufbahn von Sophie Reinhard unterrichtet; denn er zählte wie sie zu einem Freundeskreis von Architekten, Künstlern und Gelehrten, der öfters bei Weinbrenner zu Gast war. Weinbrenners Haus bildete für diesen Kreis den Mittelpunkt, zu dem neben Sophie Reinhard unter anderen Feodor Iwanowitsch Kalmück, der Botaniker Carl Christian Gmelin, der Ingenieur Johann Gottfried Tulla und wie erwähnt, der Dichter Hebel sowie der Lehrer für Kunstgeschichte an Weinbrenners Bauschule Aloys Schreiber zählten. (Nach: Arthur Valdenaire, Friedrich Weinbrenner, sein Leben und seine Bauten, 2. Auflage, Karlsruhe 1926, S. 323.)

In den 1820er Jahren fanden Karlsruher Kunstausstellungen mit Beteiligung Sophie Reinhards statt.

 

Die heilige Elisabeth mit dem Johannesknaben, Öl auf Leinwand 1812

© Staatliche Kunsthalle Karlsruhe, Inv.-Nr. 508

 

Literatur: http //www.edwin-fecker.de/sophie_reinhard.htm#_ftnref6 = Edwin Fecker: Die Großherzoglich Badische Hofmalerin Sophie Reinhard (1775‒1844); frei zugänglicher, sehr umfangreicher, detailreicher Text, mit Abbildungen)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Druckversion | Sitemap
© Gerhard Schwinge