Friedrich Weinbrenner (24.11.1766 ‒ 01.03.1826)

 

Architekt des Klassizismus: Karlsruher Stadtplaner und badischer Kirchenbaumeister

 

Friedrich Weinbrenner, Gemälde von Feodor Iwanowitsch Kalmück, 1820, Staatl. Kunsthalle Karlsruhe

(Wikimedia Commons)

 

WEINBRENNER, Friedrich (1766‒1826), Architekt des Klassizismus, Karlsruher Stadtplaner und badischer Kirchenbaumeister, * 24.11. 1766 in Karlsruhe, † 1.3. 1826 in Karlsruhe.

Als Sohn des Hofzimmermeisters besuchte er das Karlsruher Lyceum und wurde selbst Zimmermann. Ab 1788 arbeitete er früh in anderen Städten, wie Zürich, Wien, Dresden und Berlin. Auf einer Italienreise 1792‒1797 nach Rom, Pompeji, Herculaneum und Paestum befasste er sich mit dem Erhalt historischer, also antiker Baudenkmäler, die für ihn zum Vorbild wurde. Nach verschiedenen weiteren Aus- und Weiterbildungen, so an einer von ihm gegrün-deten privaten Karlsruher Bauschule, der späteren Polytechnischen Hochschule (dem heutigen Karlsruher Institut für Technologie / KIT) wurde er schließlich 1809 Großherzoglich Badischer Oberbaudirektor.

Die Bekanntheit und Bedeutung Weinbrenners beruht darauf, dass durch seine Planung aus der barocken mark-gräflichen Residenzstadt Karlsruhe die klassizistische Metropole des Großherzogtums Baden wurde. Dies geschah vor allem durch die Hauptbauten in der Innenstadt: dem Rathaus (1805/06 und 1821‒1825) und der gegenüberlie-genden Evangelische Stadtkirche (1807‒1816, „Kathedral-Kirche“, mit den beiden Nebenbauten des Lyzeums rechts und links) am zentralen Marktplatz; weiter durch die mit dem Marktplatz verbundene später sog. Via Triumphalis, der heutigen Karl-Friedrich-Straße. mit dem Markgräflichen Palais (1803‒1814) am Rondellplatz (mit architektonisch gestalteter Gartenseite) und dem Ettlinger Tor (1803). Andere Hauptbauten Weinbrenners in Karlsruhe waren die Synagoge (1798‒1800) an der heutigen Kronenstraße, das Hoftheater (1804‒1808, abgebrannt 1847) in der Nähe zum Schloss, die Katholische Stadtkirche St. Stephan (1808‒1814) an der heutigen Erbprinzenstraße, das Stepha-nienbad in Karlsruhe-Beiertheim (1811), das Ständehaus (1822/23) an der heutigen Ritterstraße, die Pyramide auf dem Marktplatz (1823‒1825) und die Münze (1826/27) an der heutigen Stephanienstraße. Alle diese Bauten wurden durch Kriege oder Brände und zerstört und mehr oder weniger originalgetreu oder gar nicht (Synagoge, Hoftheater, Ständehaus, Ettlinger Tor) wieder aufgebaut.

Rathaus heute

Evangelische Stadtkirche, mit Lyceum südlich (mit Hebels Wohnung) und nördlich neben der Kirche (seit 1807)

Weinbrenner war durch seine Tätigkeit an den zahlreichen Bauwerken in den Jahren ihrer Entstehung während der ersten drei Jahrzehnte des neuen Jahrhunderts in Karlsruhe, mit dessen kaum mehr als etwa 10000 Einwohnern, allgegenwärtig. Es verwundert deshalb nicht, dass er in dieser Zeit mit gleichzeitig dort lebenden, etwa gleichaltrigen Persönlichkeiten Kontakt hatte, so in der Gesellschaft, die sich im Gasthaus „Zum Bären“ an einer Ecke des Markt-platzes traf, oder in einer Lesegesellschaft, aus der später die Museumsgesellschaft hervorging, für die Weinbrenner 1813 das Museumsgebäude an der Langen Straße, der heutigen Kaiserstraße baute. So mit Johann Peter Hebel, dem Lehrer an dem von Weinbrenner in dieser Zeit gebauten Lyzeum. Oder neben mehreren bekannten Karlsruhern dieser Zeit mit Johann Heinrich Jung-Stilling, auch Mitglied der Museumsgesellschaft, mit dessen nahen verbunde-nem Johann Caspar Lavater er auf der Rückreise aus Italien 1797 in Zürich eine persönliche Begegnung hatte. Ferner mit dem Ingenieur Johann Gottfried Tulla, mit dem zusammen Weinbrenner 1807 die Karlsruher Bauschule gründete, und der Hofmaler Feodor Iwanowitsch Kalmück, der die von Weibrenner gebaute Stadtkirche ausmalte.

Wenn Weinbrenner auch Kirchenbaumeister genannt wird, bezieht sich dies zuerst auf die Karlsruher Evangelisch-lutherische Stadtkirche (es gab auch eine aus dem Jahr 1776 stammende „Kleine“, nämlich evangelische-reformierte Kirche in Marktplatznähe an der Langen, der heutigen Kaiserstraße); ferner auf die Katholische Stadtkirche St. Stephan. Auf Weinbrenner bzw. auf sein Baubüro, oder auf seine Schüler zurückgeführte evangelische und auch katholische Dorfkirchen, welche unverkennbar, besonders mit den Fassaden und den Kirchtürmen den weinbren-nerisch-klassizistischen Stil aufweisen, sind jedoch ebenso zu nennen: vor allem Langensteinbach und Kleinstein-bach in Mittelbaden; auch Kandern und Auggen in Südbaden, und die katholischen Kirchen in Heitersheim und Istein ebenfalls in Südbaden.

Abgesehen von Karlsruhe und den genannten Dörfern gibt es nur noch in einer Stadt, und zwar in Baden-Baden Weinbrenner-Bauten, so das Kurhaus (Vorderseite Mittelbau).

 

Situationsplan der Großherzoglichen Residenz-Stadt Karlsruhe

von Friedrich Weinbrenner 1822

Ettlinger Thor ‖ Markgräfl. Garten Haus ‖ Palais I. H. der Herrn Markgrafen zu Baden ‖ Grosherzogl. Residenz Schloß ‖                             Cavallerie Caserne P. ‖ Goth. Thurm ‖ Gartenhaus I.H. der Markgräfin

Kathedral Kirche                                                                                                                      ­­­­­                                               St. Stephans Kirche

Arsenal                                                                                                                                                                                      Infanterie Caserne

Hof Theater                                                                                                                                                                                Kanzley Gebäude

Hospital                                                                                                                                                                                                   Academie

Pulver Magazin                                                                                                                                                         Wohn-u.Geschäfts-Gebäude

Rath Haus                                                                                                                                                                                          Stände Haus

Palais I.H. M.gräfin Amalie ‖ WasserThurm ‖ MilitaireEcole ‖ - Palais I.H. d. Hr. M.grafen Friedrich - ‖ - ? - ‖ -     

GartenPalais d. Fr. M’gräfin Friedrich ‖ Museum ‖ GarnisonKirche ‖ Synagoge

 

 

Nach: Gottfried Leiber / Faltblatt; es fehlen das Rathaus von 1805/06 am Marktplatz, und 1821‒1825, das Museum von 1813 an der Lagen Straße und das Ständehaus von 1822 an der Ritterstraße.

 

Die Wiederherstellung von Bauten Weinbrenners nach deren Zerstörung in den verschiedenen Kriegen, besonders nach dem Zweiten Weltkrieg, hat viel Aufwand und Auseinandersetzungen gekostet. Besonders die ursprüngliche äußere architektonische Gestalt galt es wiederherzustellen. Die Innenraumgestaltung dagegen wurde meist neu gestaltet und unserer Zeit angepasst, so in den beiden Karlsruher Stadtkirchen, auch nicht gänzlich ohne Kritik.

In unserer Zeit ‒ seit 2021 ‒ haben der Umbau und Anbau des Markgräflichen Palais nach der Architekten-Aus-schreibung durch einen neuen Investor, eine internationale Bank, in einem Offenen Brief vom 14. Juli 2022 an den Karlsruher Oberbürgermeister heftige Kritik erfahren, unterzeichnet durch viele akademische Institutionen, auch ausländische Fachleute, auf die Initiative und unter der Führung der Karlsruher Friedrich-Weinbrenner-Gesellschaft. Dabei geht es nicht um den Portikus des Mittelbaus, sondern um die beiden sich anschließenden Flügelbauten.

Das Berliner Architektenbüro Staab, das den 1. Preis des Wettbewerbs des Investors gewann, hat vor allem den Seitenflügel an der Karl-Friedrich-Straße total modernisiert. Angeprangert wird: die vertikale Rasterfassade, die Trichterform der Fenster und die überdimensionierte und asymmetrisch gebrochene Dachlandschaft. Gefordert wird eine neue öffentliche Diskussion.

Markgräfliches Palais, Vorkriegszustand, Ansicht vom Rondellplatz

Aktuelle Planung Büro Stab, Ansicht vom Rondellplatz

Zusammenstellung durch die Friedrich-Weinbrenner-Gesellschaft Karlsruhe: Markgräfliches Palais am Rondellplatz und an der Karl-Friedrich-Straße ‒ alt / neu

 

Aufsehen erregte ebenfalls, dass die Eigentümerin des großen, von Weinbrenner 1809 gebauten Wohn- und Geschäftshauses am Markt / Ecke Kaiserstraße, Melitta Schöpf vor ihrem Tode 2021 das große Haus dem Diakonischen Werk vermacht hat. Diese will, teilweise ökumenisch, das Haus für ein Café, für Geschäfte und Wohnungen verwenden.

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Quellen:

Weinbrenner, Friedrich: Denkwürdigkeiten aus seinem Leben, von ihm selbst geschrieben, hrsg. von Aloys Schreiber, Heidelberg 1829, IV, 298 S. ‒ Weinbrenner, Friedrich: Worte und Werke, bearb. von Ulrich Maximilian Schumann, 2017, 415 S., Abb. (Friedrich Weinbrenner u. die Weinbrenner-Schule, 8)

Literatur:

biograph. Artikel in: Wikipedia (sehr umfangreich, Werkeverzeichnisse. viele Abb., zuletzt Febr. 2022) ‒ Stadtwiki Karlsruhe (2012) ‒ Gottfried Leiber: Friedrich Weinbrenner 1766-1826. Ein Spaziergang zu seinen Karlsruher Bauwerken, 1991, 2. Aufl. 2003, 12 S. zahlr. Abb. [Faltblatt, sehr informativ]

Neuere Literatur: Bruderrek, Yvonne: Friedrich Weinbrenner (1766‒1826). Vom Zimmermann zum Großherzoglich Badischen Oberbaudirektor und zum Kirchenbauarchitekten, in: Lebensbilder aus der evang. Kirche in Baden, Bd. V: Kultur u. Bildung, hrsg. von Gerhard Schwinge, 2007 (Sonderveröffentlichungen des Vereins für Kirchengeschichte … in Baden, 4), S. 196‒221, Abb. ‒  Schumann, Ulrich Maximilian: Friedrich Weinbrenners Weg nach Rom. Bauten, Bilder u. Begegnungen. [Ausstellungskatalog], 2008 (Schriften des Museums für Literatur am Oberrhein, 3 - Häuser- u. Baugeschichte, 7), 96 S., zahlr. Abb. ‒ ders.: Friedrich Weinbrenner, Klassizismus und „praktische Ästhetik“, 2009, 423 S, graph. Darst. (Hab.Schrift Karlsruhe, KIT) ‒ ders.: Friedrich Weinbrenner und „praktische Ästhetik“, 2010, 355 S., zahlr. Abb., Kt. (Friedrich Weinbrenner und die Weinbrenner-Schule, 5) (Hab.Schrift Karlsruhe 2010) ‒ Yvonne Christiane Müller: Die Sakralbauten Friedrich Weinbrenners, 2012, 264 S., Abb. (Diss. München 2010) (3 Mirkrofiches) ‒ dies.: Friedrich Weinbrenner, Kirchenbauten u. Synagogen, 2013, 180 S., 15 farb. u. 135 sw. Abb.‒ Joachim Kleinmanns, Brigitte Baumstark (Hrsgg,):Friedrich Weinbrenner 1766‒1826. Architektur u. Städtebau des Klassizismus, Ausstellung der Städt. Galerie Karlsruhe u. des Südwestdeutschen Archivs für Architektur u. Ingenieurbau am KIT, 2015, 461 S., zahlr. Abb., Kt. 4° [zum Karlsruher Stadtjubiläum 1715 ‒ 2015] ‒ Littmann, Franz: Ein Stadtspaziergang durch Karlsruhe mit Hebel und Weinbrenner, 2018, 88 S., zahlr. farb. Abb. (historisches u. neues Bildmaterial zu Weinbrenner-Bauten in hervorragender Qualität, erzählende u. philosophierende Texte).

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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