Kirchengeschichte Badens:

2. Zwischenbilanz (1850 – 1892, Teile VIII bis XII)

Kirchengemeinschaft oder Kirchenparteien?

Ausblick: die Ära Helbing 1900-1914

„ungleiche Brüder“

 

 

Die zweite Hälfte des 19. Jahrhundert zeigte in der Landeskirche weitere Spaltungen und Auseinandersetzungen, im Grunde immer zwischen Konservativen, Positiven einerseits und Liberalen andererseits, also zwischen Orthodoxen und Rationalisten, Rechten und Linken. Damit dauerten die theologischen Traditionen der Lutheraner und der Reformierten an, um deren Vereinigung willen ja die Union geschlossen worden war.

Das führte Anfang der 1850er Jahre sogar zur Separation eines Teils der Luthe-raner (siehe Teil VIII), außerdem wiederholt zu Streitigkeiten und schließlich zur Entstehung von entsprechenden Kirchenparteien der Positiven und der Liberalen: der Evangelischen Konferenz bzw. später Kirchlich-Positive Vereinigung (KPV) genannt, und der Kirchlich-Liberalen Vereinigung (KLV), wenn es auch immer wie-der Einigungsbemühungen gab, so in Vereinen und durch eine Mittelpartei, der Landeskirchlichen Vereinigung (LKV). (Vgl. Teil XI)
 

Streitigkeiten gab es trotzdem weiterhin: nach dem Agendenstreit 1858-1860 (Teil VII), dem Schenkelstreit 1864‒1867 (Teil X.2) und dem Schul- und Kulturkampf der 1870er Jahre (Teil XI) noch den Apostolikumsstreit 1891/92 (Teil XII).
 

War die Union als theologisch-kirchliche Gemeinschaft also gescheitert?
 

Im neuen Jahrhundert setzte sich das Ringen der theologisch-kirchlichen Richtun-gen miteinander fort, besonders im Blick auf gottesdienstliche Reformen. Der die Jahre bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs die Landeskirche prägende Oberkir-chenratspräsident Albert Helbing (1837‒1914) bemühte sich zwar auf den Gene-ralsynoden dieser Jahre um Lösungen, doch diese konnten bis einschließlich der Generalsynode von 1914 nicht gefunden werden.
 

Zum Abschluss dieser Synode Ende Juli 1914, sagte Helbing zu den Synodalen – zugleich so etwas wie sein Vermächtnis kurz vor seinem Tode:
 

„Sie haben gezeigt, dass Sie kein weltliches Parlament sind. […] Sie kennen das Wort: ungleiche Brüder – es trifft auf Sie zu. Die Ungleichheit lässt sich nicht bestreiten. Aber ungleiche Brüder sind eben doch Brüder.“

 

 

 

 

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© Gerhard Schwinge