Buchbesprechung

erschienen in:

Jahrbuch für badische Kirchen- und Religionsgeschichte 8/9 (2014/2015),
Stuttgart 2016, S. 484–486

Kirchen in Karlsruhe, und die Synagoge. Im Auftr. der Arbeitsgemeinschaft christlicher  Kirchen (ACK) Karlsruhe, der Evang. Kirche in Karlsruhe u. des Kath. Dekanats Karlsruhe hrsg. Ubstadt-Weiher, Heidelberg u. a.: verlag regionalkultur 2015, 264 S., zahlr. Abb., 9 Karten, kt., 12,90 Euro

 

 

    Wie viele Kirchengebäude mag es in Karlsruhe geben? Wie findet man sie? Wie sehen sie aus? Welche Geschichte bildet ihren Hintergrund? Diese und andere Fragen beantwortet die neue Veröffentlichung „Kirchen in Karlsruhe“. Um die erste Frage gleich aufzugreifen: 117 Bauten werden beschrieben, einschließlich 14 nicht mehr existierenden, doch einmal für die Baugeschichte der Stadt von Bedeutung gewesenen Sakralbauten (z. B. die Schlosskapelle oder sogar die liberale wie die orthodoxe Synagoge); abgesehen von diesen sind es also immer  noch über 100 im gesamten heutigen Stadtgebiet.

Hauptherausgeber des Bands ist die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Karlsruhe, welche 18 Kirchen und Gemeinschaften als Mitglieder vereint (leider werden diese im Buch nicht aufgelistet; die Evangelische Allianz Karlsruhe vereint sogar 48 Gemeinden, Vereine u. a. m., welche nur zum Teil auch Mitglieder der ACK sind). Weitere Herausgeber sind die Stadtdekanate der beiden großen Kirchen. Nach Grußworten von Landesbischof, Erzbischof und Oberbürgermeister kommen daher eingangs die drei Herausgeber zu Wort: Günter Frank für die ACK, Thomas Schalla für das Evangelische Dekanat und Tobias Licht, von dem die erste Anregung zu dieser Veröffentlichung stammte, für das Katholische Dekanat.

Hauptautor ist der evangelische Kunsthistoriker und Kirchenbausachverständige Jürgen Krüger (Karlsruhe). Andreas Schröder steuert einen Beitrag zu den Orgeln in Karlsruhe bei, Kurt Kramer zu den Glocken. (Warum erhielt nicht auch die Glasmalerei der Kirchenfenster einen eigenen Beitrag, zumal viele Ausschnitte von Kirchenfenstern im Buch abgebildet sind?)

Überraschenderweise wurde auch die Neue Synagoge in den Band aufgenommen, um, wie es im Vorwort heißt, „dem mittlerweile gewachsenen Bewusstsein von der untrennbaren Verbundenheit der christlichen und jüdischen Tradition Rechnung zu tragen“. Die Berücksichtigung anderer nichtchristlicher Religionen stand dagegen anscheinend nicht zur Diskussion, dem zuzustimmen ist, obwohl auch solche längst in der Gesellschaft der Stadt präsent sind. Immerhin gehören heute weniger als Zweidrittel der Karlsruher Bevölkerung als Mitglieder den christlichen Kirchen an (31 % sind katholisch, 28 % evangelisch), während 41 % konfessionslos sind oder eben zu anderen religiösen Gemeinschaften zu zählen sind.

So werden überwiegend evangelische und katholische Kirchenbauten beschrieben – von der Stadtkirche am Markt bis zum Thomashof und von der Kirche St. Stephan bis zu St. Cyriakus in Stupferich. Hinzukommen mehrere Freikirchen: Lutheraner, Baptisten, Methodisten, Mennoniten und sogar Gemeinschaften der Pfingstbewegung. Nicht zu vergessen sind drei verschiedene orthodoxe Kirchen. Sekten wie die Zeugen Jehovas oder die Siebentags-Adventisten sind zwar ausgeschlossen, doch die Neuapostolische Kirche ist dabei; auf katholischer Seite ist die Alt-Katholische Kirchengemeinde zu nennen. Insofern spiegelt der Band die Buntheit einer weitgefassten Ökumene, mit bekannten und auch mit selbst für Einheimische weniger bekannten Gottesdienststätten.

Zu allen 117 nummerierten Bauten führen schnell und übersichtlich neun Karten hin, zwei Übersichtkarten und fünf Stadtbereichskarten. Die 20 Stadtteile, die früher Jahrhunderte lang selbständige Dörfer waren (bis auf den Waldenserort Palmbach) und zwischen 1886 und 1975 eingemeindet wurden, haben durchweg Kirchen, die älter sind als die in der 1715 neu gegründeten Residenzstadt. Die im ausgehenden 20. Jahrhundert üblich gewordenen Gemeindezentren können als Mehrzweckbauten dagegen eigentlich nicht als „Sakralbauten“ charakterisiert werden (ein im Buch oft benutzter, heute weniger geläufiger, für einfache Leser fremder Begriff).

Zahlreiche hervorragende, wenn auch kleinformatige Abbildungen vermitteln die nötige Anschauung; meist werden mindestens eine Außen- und eine Innenaufnahme abgedruckt. Hinzukommen die informativen Texte: zur Entstehungsgeschichte, zur architektonischen Gestalt, zur künstlerischen Ausstattung und zum lokalen Umfeld der Gebäude (mit beigegebener Adresse und oft auch der Internetadresse). Schließlich finden sich einige historische Übersichtstexte zur Architektur- und zur Kunstgeschichte des Kirchenbaus in Karlsruhe (z. B. über „Friedrich Weinbrenner und die Stadtgestalt von Karlsruhe“ oder zum Wiesbadener Programm des Kirchenbaus von 1891).

Ein Register der Architekten, Bildenden Künstler, Glockengießer, Orgelbauer und Werkstätten und ein Register der Bauten beschließen den gelungenen Band. Allerdings sucht man im letzteren Register z. B. die methodistischen Kirchen (die Erlöserkirche in der Innenstadt, die Christuskirche in Durlach-Aue, die Christuskapelle in Grötzingen und die Pauluskirche in Knielingen) zunächst vergeblich, wenn man nicht weiß, dass sie so heißen, so dass man sie erst „ergoogeln“ muss. Hier wäre es wohl besser gewesen, nicht nur Namen von Kirchenbauten, sondern auch die Namen der Kirchengemeinden selbst im Register aufzuführen. − Auch wären Hinweise auf wenige Titel weiterführender Literatur hilfreich (z. B. auf das Buch von Hermann Erbacher zum 250. Stadtgeburtstag 1965: „Suchet der Stadt Bestes“, das noch näher an den vielen Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs war).

Eigentlich war der Kirchenführer wohl für das inzwischen zu Ende gegangene Stadtjubiläum 2015 geplant, wenigstens wird dieses wiederholt angesprochen, nicht nur in den Grußworten. Aber der Band ist ja von bleibendem Nutzen. Denn die Bauten werden auch künftig das Stadtbild mit prägen und vom vielfachen kirchlichen Leben zeugen.

Hervorzuheben ist hier noch wiederum die hochprofessionelle Herstellung durch den verlag regionalkultur (übrigens in Konzeption und Aufmachung nicht unähnlich den Bänden der Reihe „Stadtspaziergänge in Karlsruhe“ eines anderen Verlags).

Alles in allem liegt nun mehr als ein Kirchenführer vor (bei seinem Umfang gerade noch handlich, man könnte sich etwas Entsprechendes ebenso für Heidelberg, Freiburg, Mannheim, vielleicht sogar für Pforzheim vorstellen). Zu bedenken ist freilich auch, dass Kirchengebäude eine Last darstellen können, nämlich die Last der Unterhaltung. Ferner die Frage nach der Zukunft so vieler Gebäude, die heute nur noch selten wirklich gefüllt werden, abgesehen von Weihnachtsgottesdiensten und ‒ in einigen wenigen großen Kirchen ‒ von Kirchenmusikveranstaltungen.

Die Vielfalt der Kirchen, nicht nur ihrer Bauten, bedeutet einen großen Reichtum für die Stadt, das Stadtbild nach wie vor prägend. Dies gilt es immer wieder wahrzunehmen, auch in Zukunft in einem sich weiter verändernden Umfeld.

 

 

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