Buchbesprechung

 

 

 

Markus Geiger: Hermann Maas

eine Liebe zum Judentum.
 

Leben und Wirken des Heidelberger Heiliggeistpfarrers und badischen Prälaten.
Ubstadt-Weiher, Heidelberg: verlagregionalkultur 2016, 472 S., sw. Abb. (Buchreihe der Stadt Heidelberg,

Bd. 17)

 

Eine Biographie des liberalen badischen Theologen Hermann Maas (1877‒1970) existierte bisher nicht. Markus Geiger füllt mit seinem umfangreichen Buch, einer überarbeiteten und gekürzten (!) Dissertation der Pädagogischen Hochschule Heidelberg, diese Lücke. Bisher gab es allerdings schon eine große Fülle von nicht selbständig erschienenen Einzelbeiträgen zu Maas, zumal der Maas-Spezialisten Jörg Thierfelder, Eckhart Marggraf (der demnächst ein Lebensbild H. M. veröffentlichen wird) und Theodore N. Thomas. Zu nennen ist hier besonders eine Sammlung von Aufsätzen und Maas-Zitaten von 1986, stark erweitert 1997 erschienen unter dem Titel „Leben für Versöhnung. Hermann Maas – Wegbereiter des christlich-jüdischen Dialogs“ (169 S, Abb., mit Personenregister, Zeittafel und Bildnachweisen – Beigaben, die unverzeihlicherweise bei Geiger fehlen. Sogar Bildlegeden finden sich nur manchmal).

 

Geigers Arbeit bezieht den zeitgeschichtlichen Kontext vielfach mit ein und fußt auf einer umfassenden Quellen- und Literaturkenntnis. Freilich werden nur die vielen Archive genannt, die herangezogen wurden, ohne die Quellen einzeln zu benennen (darunter der seit 1979 im Landeskirchlichen Archiv Karlsruhe befindliche und in einem Findbuch von 2015 erschlossene und beschriebene Nachlass Hermann Maas); außerdem sind verzeichnet die hinzugezogenen Internetquellen, die Auskunftgeber sowie vor allem ein umfangreiches Literaturverzeichnis der Sekundärliteratur, in dem ungewöhnlicherweise auch die Primärliteratur, also die Veröffentlichungen von Maas selbst chronologisch eingeordnet sind. – Eine sehr kritische Rezension von Geigers Buch, mit Hinweisen auf manche Mängel, veröffentlichte Udo Wennemuth bereits 2016 im Jahrbuch für badische Kirchen- und Religionsgeschichte (Bd. 10, S.322‒326).

 

Maas erlebte das Kaiserreich mit dem Ersten Weltkrieg und die Weimarer Republik, den NS-Staat mit dem Zweiten Weltkrieg und die Bundesrepublik. Von 1915 bis 1945 war er Pfarrer an der Heidelberger Heiliggeistkirche, von 1946 bis zum Ruhestand 1965 (mit 88 Jahren! – anscheinend hielt er sich für unentbehrlich) Kreisdekan bzw. Prälat der badischen Landeskirche für Nordbaden. Verstorben ist Maas im Alter von 93 Jahren. Ende 1945 war er als einer von vier Kandidaten nicht zum neuen badischen Landes-bischof gewählt worden. – Es ist verwunderlich, dass die neue Biographie nicht im Raum der Landeskirche und im Rahmen der Kirchengeschichtsforschung entstanden ist. Aber die Stadt Heidelberg reklamiert den 55 Jahre lang in Heidelberg lebenden Bürger und außergewöhnlichen Zeitzeugen als den Ihren und verlieh ihm bereits 1952 die Ehrenbürgerwürde. Heidelberger Stadtpfarrer war Maas freilich nur während eines Drittels seines Lebens.

 

Wie die beiden genannten Buchtitel zeigen, gilt Hermann Maas insbesondere als „Judenfreund“: Während der Nazi-Herrschaft rettete er als Anwalt der Verfolgten selbstlos und bei persönlicher Gefährdung zahlreiche Juden und Judenchristen; nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war er einer der ersten Brückenbauer zwischen dem schuldbeladenen Deutschland und dem neuen, zionistischen Staat Israel, welcher ihn vielfach ehrte. Ebenso war Maas auf internationaler und ökumenischer Ebene enga-giert – verbunden mit zahlreichen Fernreisen, die Geiger auflistet ‒, schon 1914 im Weltbund für Freundschaftsarbeit der Kirchen.

 

Wenn man die Verehrung für Hermann Maas in der badischen Landeskirche ansieht und man boshaft sein will, kann man das „Vorbild“, den „Judenfreund“ Hermann Maas zu den evangelischen Heiligen der badischen Kirchengeschichte zählen (wie auch andere, vom Leisetreter Philipp Melanchthon bis zum Modernisierer Hans-Wolfgang Heidland, vom Volkstümler Johann Peter Hebel zum Sozialpfarrer Hanns Löw, neben dem Fundamentalisten Aloys Henhöfer und der Pionierin der Frauendiakonie Regine Jolberg).

 

Doch auch Geiger sieht den Vielgeehrten nicht völlig unkritisch – im Blick auf nationale und fast antijüdische Aussagen zu Beginn des Ersten Weltkriegs oder im Blick auf Not-lügen im Dritten Reich. Und zum Charakter von Maas schreibt er (S. 445f.): „Hermann Maas trat sehr selbstbewusst auf. … Die Anhänglichkeit von Maas am ,gesellschaftli-chen Leben‘ hängt auch mit einer nicht zu unterschätzenden Empfänglichkeit für ge-sellschaftliche Anerkennung zusammen. Er betonte gerne die Verbindung zu ,höher‘ gestellten Personen. Er schätzte die Ehrungen, die ihm zuteilwurden. Häufig vermisst man bei ihm eine kritische Distanz und den Mut zur Entschiedenheit. Diese ,Schwäche‘ dürfte die wesentliche Ursache für manches Verhalten sein.“

Gerhard Schwinge, April 2019

Der Prediger tritt hinter seiner Botschaft zurück, seine nach

oben weisende Hand verbirgt

sein Gesicht.

 

G.S. als Pastor auf der Kanzel der

St.-Florians-Kirche aus dem

13. Jahrhundert in Sillenstede (Nordoldenburg), ca. 1965

Der Vortragende hat seine Zuhörer im Blick

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© Gerhard Schwinge