Das Ende des Ersten Weltkriegs und
das Ende der Monarchie und des Staatskirchentums in Baden

1918 – 1920

 

 

 

Vorgeschichte

 

Seit 1806 war Baden ein Großherzogtum. Seit 1861, als die erste konstitutionelle Verfassung von 1818 durch eine neue, liberalere Verfassung abgelöst wurde, erlangten die beiden großen Kirchen bereits eine größere Eigenständigkeit gegenüber dem Staat.

 

                                                                                                                                                  

 Wappen des Großherzogtums            

                        

 

 

Die Ereignisse im November 1918

 

Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs am 10. No-vember 1918 und der Staatsumwälzung endete

die Monarchie. Dies besiegelte die offizielle Abdan-kung des Großherzogs Friedrich II. vom 22. No-vember, in der er seinen Thronverzicht erklärte und den Weg für die Schaffung einer neuen Verfassung frei machte.

 

 

 

 

 

 

 

                           

                               Die Abdankungserklärung des Großherzogs

 

Kriegsende, Staatsumwälzung und Ende der Monarchie bedeuteten zugleich das Ende des Staatskirchentums, also das Ende des landesherrllchen Summepiskopats, nach dem der Landesherr zugleich der Landesbischof ist. So wurde bereits am 20. November durch ein vom Großherzog erlassenes Provisorisches kirchliches Gesetz die Kirchenregierung vom Landesherrn auf den Oberkirchenrat als Behörde und den Generalsynodalausschuss als Repräsentant des gewählten Kirchenparlaments übertragen.

                                                                  

Auf dem Weg zur neuen Kirchenverfassung

                                                                                                       

Der neue Staat 1919

 

Am 5. Januar 1919 fand die Wahl zu einer badischen Nationalversammlung statt, deren Aufgabe es war, eine neue Staatsverfassung zu beschließen; bereits am 15. Januar trat die Nationalversammlung zusammen. Die neue Verfassung wurde am 21. März angenommen und trat im April in Kraft: Baden war somit eine Republik. Die bisherige Ständeversammlung der zwei Kammern, in deren Ersten Kammer der jeweilige Prälat Sitz und Stimme hatte, gab es nicht mehr.

 

  

      Wappen der Republik Baden

 

Die im neuen Landtag vertretenen Parteien waren nach der Zahl ihrer Abgeordneten: das katholische Zentrum (39), die Sozialdemokraten (SPD, 36), die liberale Deutsche Demokratische Partei (DDP, 25) und die konservative evangelische Deutsch-Nationale Partei (DNVP, 7).

 

Zum ersten Mal schloss das allgemeine, gleiche und geheime Wahlrecht das aktive und passive Frauenwahlrecht ein. Von den gewählten 107 Abgeordneten waren neun Frauen (Zentrum 4, Sozialdemokratie 4, DDP 1).

 

Unter den 107 Abgeordneten gab es sieben Geistliche: 3 Priester im Zentrum und je 2 evangelische Theologen in der DDP und in der DNVP.

Staat und Kirche in Karlsruhe           

Exkurs: Zum Verhältnis der Kirche zur Sozialdemokratie                                            

 

Aus der Wahl vom 5. Januar 1919 waren die Sozialdemokraten als zweitstärkste Partei, fast gleich stark wie das Zentrum, hervorge-gangen. Das veranlasste einen Pfarrer, in den Badischen Pfarrvereinsblättern ein neues Verhältnis der Kirche zur Sozialdemokratie zu fordern. Dem wurde entgegengehalten, erst müsse die Sozialdemokratie ihre alte Kirchenfeindschaft aufgeben. Die Erwiderung lautete, mit der Revolution habe sich alles geändert, die größte Gefahr drohe von Rom; Pfarrer müssten Sozialdemokraten sein dürfen. Für einen anderen Diskutanten stand der Feind nach wie vor links, während das Zentrum ein wichtiger Verbündeter sei.      

 

Die neue Landeskirche 1919/1920

 

Eine neugewählte Generalsynode der badischen Landeskirche trat – relativ spät – zwischen Oktober und Dezember 1919 in mehreren Sitzungen als außerordentliche Generalsynode zusammen, um eine neue Kirchenverfassung zu erarbeiten. Diese wurde am 12. Dezember angenommen und als Beilage zu Nummer 17 vom 31.12.1919 des Gesetzes- und Verordnungsblatts für die Vereinigte Evangelisch-protestantische Kirche Badens durch den Präsidenten des Oberkirchenrats veröffentlicht.

 

Mit der neuen Verfassung, die am 4. April 1920 in Kraft trat, gab es keine völlige Um-gestaltung der bisherigen Kirchenleitung, und man vermied die Einführung eines Bischofsamtes anstelle des bisherigen landesherrlichen Summepiskopats. In liberal-demokratisch-parlamentarischer Ausrichtung (einschließlich Frauenwahlrecht) wurde die Landessynode (anstelle der bisherigen Generalsynode) oberstes Organ der Lan-deskirche. Die Kirchenregierung bestand nunmehr aus dem Kirchenpräsidenten (mit erweiterten Befugnissen), dem Oberkirchenrat als Behörde, dem erweiterten Ober-   Bekanntmachung der neuen Kirchenverfassung      kirchenrat aus Mitgliedern der Landessynode und dem Prälaten.            

                                                                         

Die erste Wahl zur Landessynode fand am 7. November 1920 statt, die erste Tagung erst 1921. Geprägt wurde die Landessynode
vor allem durch drei Kirchenparteien: die konservative Kirchlich-positive Vereinigung (KPV, mit 52,9%), die liberale Kirchlich-liberale Vereinigung (KLV, mit 30,4%) und die Landeskirchliche Vereinigung (LKV, mit 7,7%) als einer Mittelpartei. Immerhin ging damit die Vorherrschaft des Liberalismus in der badischen Landeskirche zu Ende. – Auf Namensnennungen, eigentlich wünschenswert, wird hier verzichtet.

 

Nachgeschichte: politische Protestanten in der Weimarer Republik und im NS-Staat

 

Das Verhältnis von Pfarrern und Kirchenvertretern zur Politik und zu den Parteien änderte sich in der Weimarer Republik für viele sehr bald. Es entstanden neue kirchliche Parteiungen. Seit 1926 gab es die Religiösen Sozialisten (RS) auf der linken Seite, seit 1932 auf der rechten Seite die Deutschen Christen (DC) als Parteigänger der Nationalsozialisten (NSDAP), seit 1934 dagegen die Bekennende Kirche (BK). Nicht ohne Grund hat es nach 1945 und bis heute eine gegenläufige Entwicklung, nämlich eine größere Distanz zu Staat und Politik gegeben.                                                                                                             

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© Gerhard Schwinge