Augsburg

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Augsburg.

Orte der Reformation, Journal 12.

 

Hrsg. von Michael Grabow u. a. - Redaktion:

Bernd Wißner und Martina Streble.

Evang. Verlagsanstalt Leipzig 2014, 80 S. 4°

ISBN 978-3-374-03730-8 – 9,90 €

 

Augsburg war nicht nur die Stadt der Präsentation der Confessio Augustana 1530 und die Stadt des Augsburger Religionsfriedens 1555, sondern auch der Ort, an dem Luther 1518 von Kardinal Cajetan verhört wurde. – Und: Augsburg war die Stadt der Finanzmacht der Fugger (S. 42-45), die Stadt der zahlreichen Reichstage, eine Hauptstadt der Druckereien (S. 32 f.) und ist bis heute die Stadt vieler Kirchen aus Mittelalter und Renaissance (S. 72 ff.). Dies alles (und noch mehr) galt es in der Broschüre darzustellen. Aber wie sieht nun die Gewichtung aus?

 

Die Jahreszahlen 1518, 1530 und 1555 kommen nicht vor im Inhaltsverzeichnis mit seinen etwa 20 Textbeiträgen; 14 davon von zwei Sachbuchautorinnen und einem Sachbuchautor, fünf von einer Literaturwissenschaftlerin verfasst, keiner von einem Kirchenhistoriker. (Das muss nicht von vorneherein ein Mangel sein; doch bei den reformationsgeschichtlichen Darstellungen trifft man wiederholt auf unspezifische Wortwahl und sogar auf S. 37 auf einen Fehler in Bildwahl, Bildlegende und Text; textlich richtig auf S. 17).

 

Reich und informativ ist die Bebilderung; auch wenn man sich da und dort eine Bildbe-schreibung gewünscht hätte (z. B. S. 17 und 50). Und beim Augsburger Bekenntnis von 1530 ist weder Philipp Melanchthon als Hauptverfasser abgebildet (wohl aber sein katho-lischer Gegenspieler Johannes Eck) noch das Titelblatt der Confessio Augustana, sondern das von deren Apologie von 1531.

 

Der reformationsgeschichtliche Teil ist auf Luther fixiert – dem Verhör von 1518 werden mehr als fünf Seiten gewidmet (und wiederholt wird erwähnt, dass Luther 1511 auf seiner Romreise auch in Augsburg übernachtet hat). 1530 musste er als einer, der seit Worms 1521 unter der Reichacht stand, von Coburg aus, dem nächstgelegenen Ort auf kursäch-sischem Gebiet, die Vorgänge in Augsburg mit steuern. 1555 war Luther bereits neun Jahre tot.

 

1518: Wegen seiner Kritik am Ablasshandel (durch die 95 Thesen, seit dem 31. Oktober 1517) und seiner kirchenkritischen Theologie (vertreten in der Heidelberger Disputation im April 1518) wurde Luther Ketzerei vorgeworfen. Damit ihm ein Prozess in Rom erspart blieb, erreichte sein Landesherr Kurfürst Friedrich der Weise, dass er nach Augsburg vor-geladen wurde, um nach dem Ende des Reichstags an drei Tagen Mitte Oktober 1518 vom päpstlichen Legaten Kardinal Cajetan verhört wurde. Eine Einigung kam nicht zustande. Luther konnte aus Augsburg fliehen.

 

1530: Nachdem über Luther 1520 der Kirchenbann und auf dem Reichstag in Worms 1521 die Reichsacht verhängt worden war, gingen trotzdem die Einigungsbemühungen weiter. Für den Augsburger Reichstag von 1530 erarbeitete Luthers Freund und Mitreformator Melanchthon zusammen mit anderen eine umfangreiche Zusammenstellung von Glaubens-artikeln nach reformatorischer Lehre. Obwohl Luther sie als zu sehr der Gegenseite entge-genkommend beurteilte, wurde die Confessio Augustana am 25. Juni dem Kaiser Karl V. überreicht. Sie wurde und blieb bis heute weltweit die wichtigste Bekenntnisschrift der lutherischen Kirche.

 

1555: Weil die evangelische Bewegung immer mehr an Boden gewann, trotz des verlo-renen Schmalkaldischen Kriegs von 1546/47, wurde weiterhin ein Frieden zwischen den Konfessionen gesucht. Auf dem Augsburger Reichstag von 1555 konnte dann endlich wenigstens eine politische Einigung erreicht werden: der sogenannte Augsburger Religi-onsfrieden. Er besagte, dass fortan jeder Landesherr und jede freie Reichsstadt das Recht und die Pflicht hatte, die Konfession in ihrem Territorium zu bestimmen und einen Ausgleich zwischen den verschieden glaubenden Untertanen zu schaffen: cuius regio, eius religio.

Dass weiterhin meistens evangelische und katholische Bürger an einem Ort zusammen-lebten, leben mussten, zeigt sich an den zahlreichen konfessionell verschiedenen Kirchen. Eine Besonderheit Augsburgs ist es, dass es dort zwei sog. Doppelkirchen gibt, wobei eine katholische und eine evangelische Kirche baulich miteinander verbunden sind, bei getrenn-ten Gebäuden, Kirchtürmen, Gottesdiensträumen – ein Beispiel ist auf dem Umschlag zu sehen, freilich mit verfälschender Perspektive. (Etwas anderes sind die häufigeren sog. Simultankirchen, die von beiden Konfessionen gemeinsam, aber zu unterschiedlichen Zeiten benutzt wurden, manchmal auch in verschiedenen Teilbereichen der jeweiligen Kirche, wie Chorraum und Hauptschiff.)

 

Für Augsburgs Bewohner und für seine Besucher ist manches wichtig bzw. interessant, so die zehn, im Heft einzeln beschriebenen Kirchen der Stadt. Und unumgänglich ist es wohl in unserer Zeit (und in dieser Heft-Reihe), über die Ökumene in der Stadt und über die Begegnung der verschiedenen Religionen zu berichten, hier der Sunniten und Aleviten, der Christen und Juden und Buddhisten. Besonders gefeiert wird (S. 56 f.) die am 31. Oktober 1999 in Augsburg von Vertretern des Lutherischen Weltbunds und des Päpstlichen Rats zur Förderung der Einheit der Christen unterzeichnete „Gemeinsame Erklärung zur Rechtferti-gungslehre“ (wobei unterschlagen wird, dass diese sich sogleich als theologisch höchst umstritten erwies, vor allem unter evangelischen wissenschaftlichen Theologen; gleichwohl hat sich im Reformationsjubiläumsjahr am 5. Juli 2017 die Weltgemeinschaft Reformierter Christen dieser Erklärung angeschlossen).

                                                                                                                                 G.S.

Der Prediger tritt hinter seiner Botschaft zurück, seine nach

oben weisende Hand verbirgt

sein Gesicht.

 

G.S. als Pastor auf der Kanzel der

St.-Florians-Kirche aus dem

13. Jahrhundert in Sillenstede (Nordoldenburg), ca. 1965

Der Vortragende hat seine Zuhörer im Blick

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© Gerhard Schwinge