Buchbesprechung

 

Zwei neue Hebel-Biographien

Die neuen Hebel-Biographien von Heide Helwig und Bernhard Viel sind im selben Jahr, nämlich im Hebel-Jubiläumsjahr 2010, und in der selben Stadt, allerdings in zwei verschiedenen renommierten Verlagen erschienen. Keiner von beiden, die Autorin und der Autor nennt den anderen, voraus zu schließen ist, dass sie nichts von dem Vorhaben des anderen wussten. Die Autorin Helwig (geb. 1960) studierte Germanistik und Romaniststik, der Autor Viel (geb. 1958) studierte Literaturwissenschaft

Beide Werke sind als literarische BiographIen einander ähnlich: mit erzählenden Passagen und mit analysierenden und interpretierrenen Passagen zu Person und Werk Hebels.

 

 

 

 

Heide Helwig:

Johann Peter Hebel.

 

Biographie, München: Hanser 2010, 366 S., 10 Abb. ISBN 978-3-446-23508-3, geb. 24,90 EURO

 

Eine literarische Biographie, mit Anmerkungen und umfangreichem Personenregister, (nirgendwo formale biogra-phische Informationen), kein Literaturverzeichnis, nur Angabe der verschiedenen als Quellen benutzten Hebel-Ausgaben.

Helwig behandelt vor allem die erste Lebenshälfte Hebels, mit intensiver Quellenauswertung geschrieben, nach den zahllosen Briefen an seinen Freund Friedrich Wilhelm Hitzig und an seine Brieffreundinnen Gustave Fecht und Sophie Haufe. Viele interessante Details finden sich dadurch zur Gefühlswelt und zum Verhalten Hebels innerhalb der Karlsruher Honoratiorenkreise und in der Museumsgesellschaft. Zur Entspannung angesichts seiner Arbeitslast in Schule und Kirche: „Geselligkeiten aller Art locken den Dichter oder schrecken ihn ab, manchmal beides zugleich“: Café-Besuche, Theater, Lese- und Museumsgesellschaft, die Spielbank in Baden-Baden, (nach Viel, S. 225 mit S. 272). Wiederholt allerdings hakt sich die Autorin über viele Seiten hin an nicht unbedingt zentralen Themen fest, so an dem Verhältnis Hebels zu Jean Paul oder zu der Schauspielerin Henriette Hendel-Schütz und am Thema Geister-kunde nach Jung-Stillings gleichbetitelter „Theorie“. Von Weinbrenner ist verhältnismäßig wenig die Rede, von Gme-lin mehr; dagegen von den Hofmalern Kalmück und Sophie Reinhard, von Tulla von von Drais gar nichts. Stattdes-sen vom Kirchenratsdirektor Brauer, (†1813, dem vielfachen Förderer Hebels) und von Hebels Kirchenratskollegen Sander und Ewald und Sonntag (im Personenregister fehlt der Rufname Nikolaus), seltsamerweise selbst von dem Heidelberger Theologieprofessor Schwarz, dem Schwiegersohn Jung-Stillings.

Das Hebel-Porträt auf dem Umschlag ist nicht im Abbildungsverzeichnis enthalten, Es gibt eine Bleistiftzeichnung von 1810 von Christian Friedrich Müller (1783‒1816) wieder (Wikimedia Commons, UB Freiburg), dem Drucker und Gründer des bekannten C. F. Müller Verlags (er war Hofbuchdrucker und Verleger unter anderem von Hebels Rhei-nischem Hausfreund 1811/12, und auch Drucker für Brauer und Tulla). Weinbrenner baute 1811 ein Geschäftshaus für Müller.

 

 

 

Bernhard Viel:

Johann Peter Hebel oder Das Glück der Vergänglichkeit.

 

Eine Biographie, München: C. H. Beck 2010, 296 S., zahlr. Abb.,
eine Karte, ISBN 978-3-406-59836-4, Ln. 9,95 €

 

Eine literarische Biographie in 12 Kapiteln, mit „Vorwort“ (11 S.! – eine Einführung zu Hebel als Dichter, als Erzähler, in der Literaturgeschichte), mit Anmerkungen (14 S.), einem umfangreichen Verzeichnis der zitierten Quellen- und Literatur (17 S., viele hier eigentlich nicht erwartete Titel), mit differenzierter Zeittafel (7 S.), Bildnachweisen (hier ohne das Porträt auf dem Buchumschlag*, aber kurz genannt auf dem hinteren inneren Umschlag in kleinem, nur mit Lupe lesbarem Duck*), Personenregister (5 S.).

Wie Heide Helwig schöpft Viel seine Kenntnisse vorwiegend aus den sehr zahlreichen Briefen Hebels ‒ geschrieben an seinen Freund Friedrich Wilhelm Hitzig und an seine Brieffreundin Gustave Fecht. Eigene Kapitel widmen sich den Hauptwerken Hebels: den Alemannischen Gedichten, den Kalendergeschichten und den Biblischen Geschich-ten. Insgesamt ist die Biographie weniger erzählend als reflektierend, interpretierend, psychoanalysierend (Hebels „Lebenstrauma“: der Tod der Mutter). ‒ Leider findet sich im Buch wesentlich mehr zu dem der Stadt Karlsruhe und Baden fernen Goethe als zu dem die Stadt und die Zeit prägenden Weinbrenner.

Die Bildbeschreibungen sind ungenügend.

*von dem Hofmaler Philipp Jakob Becker: Hebel, 1795, Historisches Museum Basel (Wikimedia Commons)

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© Gerhard Schwinge