Die Karlsruher Hofgesellschaft zu Beginn des 19. Jahrhunderts

und Jung-Stilling

 

 

In dieser Zeit am Endes 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts gab es in Karlsruhe sozusagen drei Welten: die Welt des gehobenen Bürgertums – siehe dazu hier unter den Verschiedenen Texten den Beitrag „Fünf Bürger der Karlsruher Gesellschaft um 1815“, die Hofgesellschaft und die Welt des einfachen Volkes, bestehend aus Bediensteten, Bauarbeitern (zumal während der Arbeiten an den zahlreichen Bauten des Baudirektors Friedrich Weinbrenner) und Soldaten (vor allem durch die Verpflichtung Badens, Kontingente für die napoleonischen Feldzüge zu liefern).

Die Hofgesellschaft bildeten, durchweg auf Grund von Heiraten, Regenten mit ihren Familien: seit 1793 der Zarenhof in Russland, seit 1806 das Frankreich Napoleons, außerdem der König von Schweden und der König von Bayern;

der weitere Adel, Diplomaten, Militärs und die Hofbeamten, Hofräte, Hofprediger, Hofmaler.

 

Karlsruher Zeitgenossen, die auf dieser Website im den "Verschiedenen Texten" vorgestellt wurden und zu Beginn des 19. Jahrhunderts gleichzeitig in Karlsruhe lebten und wirkten oder Karlsruhe besuchten.

(mit Geburts- und Todesjahr und gelb markierten Zeiten ihrer Anwesenheit in Karlsruhe)

 

Wir konzentrieren uns hier auf folgende Mitglieder der Hofgesellschaft und ihre Beziehungen untereinander:

Geh. Hofrat J. H. Jung-Stilling (1740 – 1817)

Großherzog Karl Friedrich (1728, ‒ 1811)                                                                     Großherzog Karl (1786 – 1818)

Markgräfin Amalie (1754 – 1838)                                                                      Großherzogin Stephanie (1789 – 1860)

Kaiser Napoleon (1769 – 1821)                                                                                      Zar Alexander I. (1777 – 1825)

 

 

Johann Heinrich Jung-Stilling (1740‒1817), Patriarch der Erweckung, 1801‒1811 Berater und Seelsorger Karl Friedrichs, 1808 Geheimer Hofrat

gemalt von Marquard Wocher, 1801 (Wikimedia Commons)

Jung-Stillings Verbindung zum Karlsruher Fürstenhof bestand fast aus-schließlich in seiner Beziehung zum Markgrafen, dann Kurfürsten, dann Großherzog Karl Friedrich (1728‒1811). Nähere persönliche Verbindungen zu anderen Mitgliedern des Fürstenhauses scheint er nicht gehabt zu haben.

Im Oktober/November 1795 muss Jung-Stilling an Karl Friedrich wegen der Empfehlung eines Herrn von Imhof geschrieben haben; denn der Markgraf antwortete ihm am 12.11.1795 und schrieb: „Ich habe Ihr Heimweh gelesen, welches mich sehr interessiert hat. Ich höre, der letzte Theil wird einen Schlüssel enthalten, worauf ich mit Begierde warte. Können Sie mir über das Buch etwas mehr schriftlich sagen, als Sie dem Druck anvertrauen wollen, so würden Sie mich sehr verbinden und könnten aller möglichen Discretion versichert sein.“ (Jung-Stilling, Briefe, 2002, S, 179 f.; Jung-Stillings allegorischer Heimweh-Roman erschien 1794‒1796 in vier Theilen und zusätzlich mit dem Band „Schlüssel“ 1796.) Jung-Stilling antwortete dem Markgrafen am 17.02.1796 mit einem langen Brief, ebd., S. 181 f.) – Möglicherweise hat Kirchenratsdirektor Friedrich Brauer den Markgrafen auf

den Heimweh-Roman aufmerksam gemacht, wie er es bei Hebel tat (Hebel, Briefe, 1957, Band 1, S. 99: Brief Hebels an seinen Freund Hitzig von Ende Sept. 1800). Hebel äußert sich dort, nach eingehender Inhaltsbeschreibung auch ironisch zum Heimweh-Roman:

Motto: Anoixo en parabolais to stoma mou – Ich öffne in Gleich-nissen meinen Mund, Matthäus 13, Vers 35

 

 

Mit ihren Namen im Proteuser-Freundschaftsbund schreibt Parmenides = Hebel an Zenoides = Friedrich Wilhelm Hitzig (1767–1849), Hebels vertrautestem Freund, Kirchenrat und Dekan in Lörrach:

Wenn ich nicht

Von nun an riss der Kontakt zwischen Karl Friedrich und Jung-Stilling nicht mehr ab, zunächst schriftlich (18 Briefe Karl Friedrichs an Jung-Stilling in den zehn Jahren 1795 bis 1805, die er stets mit „Stillings treuer Freund“ unter-schrieb, und 53 Briefe Jung-Stillings an Karl Friedrich zwischen Februar 1796 und Januar 1812, alle im Großherzog-lichen Familienarchiv im Generallandesarchiv Karlsruhe) und dann ab 1801 auch persönlich.

1801 und 1802 machte Jung-Stilling auf zwei Patientenreisen in die Schweiz in Karlsruhe jeweils im Schloss seine Aufwartung. Anschließend schrieb er, die erste Reise diente seiner Schuldentilgung (durch den Markgrafen), die zweite seiner endgültigen Bestimmung.

1803 berief Karl Friedrich den Marburger Ökonomieprofessor in seine Nähe nach Baden, damit er, mit einem Ehren-salär versehen, als Augenarzt, religiöser Schriftsteller und seelsorgerliche Berater ganz seiner Berufung gemäß leben könnte. Er ersetzte damit gleichsam den Zürcher Erweckungstheologen und Schriftsteller Johann Kaspar Lavater, der seit 1774 bis er 1801 zu Tode gekommen war, Karl Friedrichs seelsorgerlicher Berater gewesen war. Da ihm sein Wohnort zunächst freigestellt wurde, zog Jung-Stilling mit seiner Familie nach Heidelberg, wo er in den 1780-er Jahren schon einige Zeit gelebt hatte.

1806 zog er dann doch auf des Großherzogs Wunsch nach Karlsruhe und durfte bis zu Karl Friedrichs Tod 1811 im Schloss logieren, als ständiger Teilnehmer an der fürstlichen Tafel und als Reisebegleiter und Vorleser für seinen zusehends körperlich und geistig schwächer werdenden Herrn; so ging er auch mit dem Großherzog zur Kur nach Baden-Baden. 1808 erhielt Jung-Stilling den Ehrentitel Großherzoglich Badischer Geheimer Hofrat, zu Karl Fried-richs 80. Geburtstag am 22. November.

Dass Jung-Stilling Napoleon persönlich getroffen hat, ist nicht bekannt, obwohl dieser 1804 und 1806 vorübergehend in Karlsruhe weilte. Als Napoleon 1799 zum Ersten Konsul aufgestiegen war, sah Jung-Stilling in diesem den end-zeitlichen Antichristen, nannte ihn 1799 in seiner apokalyptischen Schrift „Die Siegesgeschichte der christlichen Religion“ jedoch nicht mit Namen. Nachdem Napoleon durch die ohne Betreiben des greisen Großherzogs vermit-telte Hochzeit seiner Adoptivtochter Stephanie de Beauharnais mit dem badischen Kronprinzen Karl gleichsam Verwandter der Fürstenfamilie geworden war (siehe unten), hielt sich Jung-Stilling mit seinen durchschaubaren Äußerungen über Napoleon zurück.

Geradezu gegensätzlich war Jung-Stillings Beziehung zu Zar Alexander I, seit 1801 Kaiser von Russland (siehe unten). Durch seine Heirat mit einer badischen Prinzessin 1793 war er ein noch engerer Verwandter des badischen Fürstenhauses. Jung-Stilling wird ihm bei dessen Besuch 1813 im Karlsruher Schloss begegnet sein, er hatte sogar 1814 bei dessen Besuch im Bruchsaler Schloss bei seiner Schwiegermutter Markgräfin Amalie eine Privataudienz unter vier Augen. Jung-Stilling sah in ihm geradezu einen Geistesverwandten: Ich habe nie mit jemand gesprochen, der in allen Punkten vom kleinsten bis zum grösten so einstimmig mit mir denkt als der Kayser Alexander; er ist ein wahrer Christ, im strengsten Sinn. So schreibt er öffentlich an einer Stelle in seiner Zeitschrift „Der Graue Mann“.

Literatur: Gerhard Schwinge: Jung-Stilling am Hofe Karl Friedrichs in Karlsruhe. In: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins 135 (1987), S. 183–205. (Nachdruck 2014 in Schwinge, Jung-Stilling-Aufsatzsammlung), S. 11‒32) – Alexander Bitzel: Johann Heinrich Jung-Stilling und sein Einfluss … [in Baden], in: JbKRG 12 (2018), S. 221‒241.

 

 

 

Karl Friedrich (1728‒1811), 1746 Markgraf von Baden-Durlach, 1771 Markgraf von Baden, 1803 Kurfürst, 1806 Großherzog (mit dem Titel Königliche Hoheit)

unbekannter Maler, um 1800 

(Wikipedia Commons)

Karl Friedrich war ein aufgeklärter, toleranter, sparsamer, frommer Fürst. Er suchte die Nähe namhafter Geistesgrößen der Zeit: 1774‒1803 Klopstock, 1774‒1801 Lavater, 1787 Herder, 1795‒1811 Jung-Stilling. Lavater und Jung-Stilling (siehe oben) als seelsorgerische Berater.

Im Aufsatz- und Katalogband von 1981 findet sich ein spezieller Beitrag „Leben am Hof“ (S. 88‒100, von Rosemarie Stratmann). Danach einige Beschreibungen: Schon seit 1750 gab es eine gedruckte Hofordnung, für die Bediensteten, aber auch für den Adel, nach der die Hofhaltung sich in Gren-zen halten sollte. Der Tagesablauf, die Kleidung wurden geregelt. Trinken alkoholischer Getränke und Rauchen waren untersagt (ganz anders als in der bürgerlichen Gesellschaft), nicht jedoch Brett- und Kartenspiele. Die Teilnahme am sonntäglichen Gottesdienst wurde verlangt. Oft fanden Kon-zerte mit der eigenen kleinen Hofkapelle und Bälle statt, ferner Theater-aufführungen mit auswärtigen Schauspielern, eigene hielt man sich nicht. Die Raumaufteilung und -nutzung des Schlosses waren streng geregelt. Zweimal täglich war „Hoftafel“, mit zwei, hierarchisch abgestuften Tafeln, begonnen und beendet mit Gebet. Zweimal in der Woche war „Cour“, also Audienz. Darüber, zumal über die Gäste wurde ein genaues Hoftagebuch

geführt. Häufig wurden Angehörige der großen Familie empfangen, besonders bei Hochzeiten, Taufen und Konfirma-tionen. Hochadlige Gäste mit Gefolge waren die Schwieger-Enkelsöhne (über diese weiter unten bei Markgräfin Amalie), so 1804 und 1806 Kaiser Napoleon (siehe unten) mit Gemahlin Josephine, 1813 Zar Alexander I. (siehe unten). Außer dem großen Karlsruher Schloss gab es Schlösser in Rastatt, Bruchsal und Mannheim, und kleinere Lustschlösser wie Favorite bei Rastatt und Schwetzingen. Karl Friedrich ging, je älter und kränker er schon viele Jahre vor seinem Tod wurde, auch geistesschwach, mindestens seit 1806, desto häufiger zu Kuraufenthalten nach Baden-Baden.

Literatur: Carl Friedrich und seine Zeit. Markgräfl. Bad. Museen, Ausstellung 1981, Karlsruhe 1981, 242 S., zahlr. Abb. – Annette Borchardt-Wenzel: Karl Friedrich von Baden, Mensch und Le-gende, Gernsbach: Casimir Katz Verlag 2006, 392 S., 12 sw. Abb., Stammtafel ‒ Der aufgeklarte Fürst. Karl Friedrich von Baden, 1728‒1811, hrsg. von Rainer Brüning Karlsruhe: Generallandesarchiv, Förderverein 2012, 55 S., Abb. – Volker Rödel: Karl Friedrich von Baden (1728‒1811). Markgraf, Kur-fürst und Großherzog, in: Lebensbilder aus der evangelischen Kirche in Baden im 19. U. 20. Jh., Band I: Kirchenleitung, hrsg. von Udo Wennemuth, ebd. 2023, 672 S., 25 Abb., (Sonderveröf-fentlichungen des Vereins für Kirchengeschichte in der Evang. Landeskirche in Baden, Bd. 11), S. 22‒41, 1 Portr. Bemerkung zu den Büchern von A. Borchardt-Wenzel (s.a. unten „Die Frau-en am badischen Hof“ bei Markgräfin Amalie und Großherzogin Stéphanie) und von A. Schiener (s.u.): es handelt sich um Bio-graphien in erzählendem, detailreichem, bisweilen umgangs-sprachlichem Stil für ein breites Lesepublikum auf der Grund-lage zahlreicher älterer Literatur und gedruckter Quellen.

 

 

 

Schloss Karlsruhe, Johann Baptist Haas nach Peter Perez Burdett, um 1782 (Wikimedia Commens)

Karl (Ludwig Friedrich) von Baden (1786‒1818), Enkel Karl Friedrichs, seit 1801 Erbprinz, seit 1811 zweiter Großherzog

Gemälde von François Gérard ca. 1806 (Wikimedia Commons)

Nachdem sein Vater Karl Ludwig, Karl Friedrichs erster Sohn und Thron-folger, verheiratet seit 1774 mit Markgräfin Amalie von Hessen-Darmstadt (siehe unten), mit der er 6 Töchter und eben den Sohn Karl gezeugt hatte, bei einem Unfall in Schweden gestorben war, wurde Karl 1801 mit noch nicht 16 Jahren Erbprinz und Mitregent und nach dem Tod seines Groß-vaters Karl Friedrich 1811 Großherzog. 1806 war er in Paris mit Napoleons 17-jähriger Adoptivtochter Stéphanie de Beauharnais (siehe unten) vermählt worden, Durch ihn wurde kurz vor seinem Tode 1818 die Badische Verfas-sung erlassen.

Karl war geradezu das Gegenteil seines großväterlichen Vorgängers: viel-fach bezeugt mit schlechtem Leumund auf Grund seiner Veranlagung und seines Verhaltens, überzeugter Militär, vielfach unterwegs in Napoleons Feldzügen, statt im Karlsruher Schloss oft bei seiner Gemahlin Stéphanie, die im Mannheimer Schloss residierte, oder bei seiner Mutter Markgräfin Amalie (siehe unten) im Bruchsaler Schloss weilend. ‒ Erbprinzessin Sté-phanie und Markgräfin Amalie waren nicht im Karlsruher Residenzschloss

geblieben, um der zweiten Gemahlin Karl Friedrichs, Luise Karoline Geyer von Geyersberg, seit 1796 Reichsgräfin von Hochberg, nicht den ersten Rang am Hof streitig zu machen.

Wegen Karls fragwürdigem Lebenswandel, angeblich unter dem negativen Einfluss seines übel beleumundeten unverheirateten Onkels Ludwig, des späteren Großherzogs, soll Stéphanie schon am Ende des zweiten Ehejahrs einen Nervenzusammenbruch erlitten haben; sein Schwiegervater Napoleon soll zweimal nach besonderen Vor-kommnissen die Verbannung Ludwigs nach Salem veranlasst haben.

 

Literatur: Stéphanie Napoleon, Großherzogin von Baden, 1789‒1860. Ausstellung anlässlich der 200. Wiederkehr ihres Geburtstages, Badisches Landesmuseum Karlsruhe, Schloss 1989. Karlsruhe 1989, 258 S., zahlr. Abb., 2 Stammtafeln

 

 

 

 

Amalie, Markgräfin von Baden (1754‒1832), „Schwiegermutter Europas“


*20. Juni 1754 Darmstadt, †21. Juli 1832 Bruchsal, ev., ∞ 1774 Erbprinz Karl Ludwig I. von Baden,

7 Kinder.

Ölgemälde nach G. H. Schröder, 1811, Schloss Bruchsal (Wikimedia Commons) 

Die ehrgeizige, selbstsichere und standesbewusste Tochter des Landgrafen Ludwig IX. von Hessen-Darmstadt und seiner Ehefrau Karoline gewann neben dem streng von der Mutter und vom Vater gegängelten Thronfolger, ihrem Ehemann und Cousin Karl Ludwig, mit dem sie 6 Töchter und einen Sohn (siehe oben) hatte, bald Einfluss am badischen Hof. Das Verhältnis zu der gebildeten Schwiegermutter blieb allerdings gespannt: sie litt unter der Dominanz der Markgräfin Karoline Luise. Geschick bewies sie in der Verhei-ratung ihrer Töchter: Karoline mit dem späteren König Maximilian I. Joseph von Bayern, Luise als Elisabeth mit dem späteren Zaren Alexander I. (siehe unten), Friederike mit König Gustav IV. Adolf von Schweden, Marie mit Friedrich Wilhelm Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel, Wilhelmine mit Ludwig von Hessen. Aufgrund dieses verwandtschaftlichen Netzwerkes nannte man sie die Schwiegermutter Europas. Ihre Hoffnung, einst regie-rende Markgräfin zu werden, zerschlug sich durch den Unfalltod ihres Man-nes Karl Ludwig 1801 auf einer Reise nach Schweden. Amalie blieb aber erste Dame des Landes, bekam den Titel Markgräfin, obwohl ihr Schwieger-vater Markgraf Karl Friedrich 1787 (siehe oben) eine zweite, morganatische Ehe mit Luise von Geyersberg einging.

Weniger Aufmerksamkeit als der Erziehung ihrer Töchter schenkte Amalie der Erziehung ihres Sohnes Karl (siehe oben), der träge und entscheidungsschwach blieb und unter dem Einfluss seines leichtlebigen unverheirateten On-kels Ludwig stand. Gegen die von Napoleon (siehe unten) gewünschte Ehe zwischen ihrem Sohn, dem badischen Thronfolger, und Napoleons entfernter Verwandten und Adoptivtochter Stéphanie de Beauharnais (siehe unten) wehrte sie sich. Erst als Napoleon Stéphanie adoptierte, musste sie, reichstreu und voller Abneigung gegen Napo-leon, ihren Widerstand aufgeben.

 

Nach dem Tod Großherzog Karl Friedrichs 1811 hoffte Amalie vergebens, Einfluss auf ihren Sohn zu nehmen.

Nach dessen Tod 1818 war sie froh, dass ihr Schwager Großherzog Ludwig I. ihr einen großzügigen Witwenstand zusicherte. Im Schloss in Bruchsal, aber auch im Karlsruher Palais, dem am heutigen Nymphengarten damals gele-genen Amalienschlösschen, führte sie ein reiches gesellschaftliches Leben. Im Alter durch zunehmende Krankheiten gelähmt, schließlich erblindet, wurde die 78-jährige nach ihrem Tod in der Pforzheimer Fürstengruft bestattet. Nach ihr wurden in Karlsruhe die Amalienstraße (1811) und die Amalienbadstraße (1938) in Durlach benannt.

nach Leonhard Müller 2012, Stadtarchiv Karlsruhe: Stadtlexikon

 

Literatur: Anna Schiener: Markgräfin Amalie von Baden, Regensburg: Pustet 2007. 208 S, zahlr. sw. Abb., Zeittafel, Stammtafel ‒ Annette Borchardt-Wenzel (siehe oben bei Großherzog Karl Friedrich): Die Frauen am badischen Hof. Gefährtinnen der Großherzöge zwischen Liebe, Pflicht und Intrigen. 2., überarb. Aufl. Gernsbach: Casimir Katz Verlag 20110, 392, S. 71‒138, (Abb. 2 falsch identifiziert). Schiener nennt Borchardt-Wenzel (1. Aufl. 2001)¸ Borchardt-Wenzel nennt Schiener nicht.

 

 

 

Stéphanie von Baden (1789‒1860), 1806 Erbgroßherzogin, seit 1811 Großherzogin

 

Gemälde von Francois Gérard, Paris 1806/07, Schloss Mannheim (Wikimedia Commons)

Stéphanie de Beauharnais (1789‒1860), Adoptivtochter Napoleons, wurde auf dessen Betreiben, am 7./8. April 1806 in Paris mit 16 Jahren mit dem 20-jährigen Erbprinzen Karl von Baden (siehe oben) vermählt, nachdem das französische Kaiserpaar im Januar in Karlsruhe gewesen war. Im Juli/August wurde unter Napoleons Einfluss der Rheinbund gegründet, mit Baden als Mitglied, das zum Großherzogtum erhoben wurde. Während Karl vom Oktober 1806 bis in den Januar 1807 am Feldzug Napoleons gegen Preußen teilnahm, bezog Stéphanie endgültig das Schloss in Mannheim. Schon im Dezember 1806 erlitt sie einen Nervenzusammenbruch, nachdem sie vom ausschweifenden Lebenswandel des Gemahls in Karlsruhe erfah-ren hatte.

 

Im Oktober 1808 traf das Paar beim Fürstentag in Erfurt zum ersten Mal mit ihrem Schwager Zar Alexander I. von Russland (siehe unten) und dessen Gemahlin, Karls Schwester Luise, als Zarin mit dem Namen Elisabeth, zu-sammen. Anschließend am 24. Oktober trafen Karl und Stéphanie in Rastatt mit Napoleon zusammen, der in der Folgezeit immer wieder detaillierte Berichte über die Hofhaltungen in Mannheim und Karlsruhe verlangte.

1812 fand der Krieg Napoleons gegen Russland unter Beteiligung Badens statt. Erst nach der Leipziger Völker-schlacht im Oktober 1813 schloss sich Baden der Koalition gegen Napoleon an und damit den folgenden deutschen Befreiungskriegen. Ende November weilte Zar beziehungsweise Kaiser Alexander I. in Karlsruhe, seine Gemahlin Elisabeth in der Folgezeit wiederholt bei ihrer Mutter Markgräfin Amalie in Bruchsal.

Bereits 1814 war Großherzogin Stéphanie zu Ehren in Karlsruhe die Stephanienstraße benannt worden.

 

Literatur: Stéphanie Napoleon, Großherzogin von Baden, 1789‒1860. Ausstellung anlässlich der 200. Wiederkehr ihres Geburtstages, Badisches Landesmuseum Karlsruhe, Schloss 1989, 258 S., zahlr. Abb., 2 Stammtafeln ‒ Annette Borchardt-Wenzel (siehe oben bei Großherzog Karl Friedrich): Die Frauen am badischen Hof. Gefährtinnen der Großherzöge zwischen Liebe, Pflicht und Intrigen. 2., überarb. Aufl. Gernsbach: Casimir Katz Verlag 2010, 392, Abb., S. 172‒227

 

 

Napoleon Bonaparte (1769‒1821), seit 1804 Kaiser der Franzosen (Selbstkrönung)

 

Gemälde von Jacques-Louis David, 1813 (Wkimedia Commons)

Es soll hier nicht um eine Würdigung Napoleons in Gänze gehen, sondern nur um seine Beziehungen zu Baden, wie sie oben in den Lebensbildern Stéphanie Napoleon, aber auch Karl von Baden und Markgräfin Amalie schon zur Sprache kamen. Dass Baden vor allem als Territorium für Napo-leon eine solche erstaunliche Rolle spielte und von ihm in Anspruch genom-men wurde, war begründet in Badens strategischer Lage nahe zu Frank-reich. Das zeigte sich in der Knüpfung einer nahen verwandtschaftlichen Beziehung zwischen dem Kaiser der Franzosen und der badischen groß-herzoglichen Familie und die wiederholten Besuche Napoleons in Baden. Das ergab die ihm willkommenen badischen Truppenkontingente (ursprüng-lich 6700 Mann) in Napoleons Armeen, spätesten im Feldzug gegen Preu-ßen 1806/07, dann vor allem gegen Russland 1812. Bemerkenswert war dabei, dass Zar Alexander I. von Russland (siehe unten) der Schwager von Napoleons Tochter Stéphanie war. Das Verhältnis Frankreichs zu Russland war bis zum Russlandfeldzug 1812 sehr wechselhaft. – Auf der anderen Seite hatte Baden Napoleon den Aufstieg zum Kurfürstentum und zum Großherzogtum zu verdanken

Auf dem von Napoleon angesetzten Fürstentreffen in Erfurt 1808 trafen sich auch Zar Alexander I. mit Gemahlin Elisabeth (geb. Luise von Baden) und Erbprinz Karl von Baden und Gemahlin Stéphanie (geb. Stéphanie Napoleon).

 

 

 

Zar Alexander I. (1777‒1825), seit 1801 Kaiser von Russland (Thronfolger seines ermordeten Vaters Kaiser Paul I)

Gemälde von Stepan Shchukin, 1809 (Wikimedia Commons)

Es soll hier nicht um eine Würdigung Alexanders in Gänze gehen, sondern nur um seine Beziehungen zu Baden.

 

Der als Kind sog. Großfürst Alexander wurde 1793 auf Betreiben der beiden Mütter, der Zarin Maria Fjodorowna, geborene Prinzessin Sophie Dorothee von Württemberg, und der Markgräfin Amalie von Baden als noch nicht ganz 16-Jähriger mit der 14-jährigen Luise von Baden verheiratet. Diese erhielt nach ihrem Übertritt zur orthodoxen Kirche den Namen Elisabeth.

 

Alexander I., seit 1801 Kaiser von Russland, wurde dadurch später Schwa-ger von Kurprinz, später Großherzog Karl von Baden und seiner Gemahlin Stéphanie, dadurch indirekt verwandt mit Napoleon. Diese trafen sich 1808 auf dem von Napoleon festgesetzten Fürstentreffen in Erfurt. Später erst, nach der Auflösung des Rheinbunds, dem Ende von Napoleons Herrschaft und Badens endlicher Trennung von Napoleon, besuchte er 1813 Schwager und Schwägerin im Karlsruher Schloss, 1814 besuchte er seine dann im Schloss Bruchsal residierende Schwiegermutter Amalie; dort fand im Juli auch eine Audienz Jung-Stillings beim Zaren statt.

 

 

 

 

 

 

 

 

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© Gerhard Schwinge