Parteiungen statt Union?
– eine andere 200-jährige Landeskirchengeschichte Badens
Teil 5: 1933 bis 1945
(siehe auch Kirchengeschichte Teil XIV)
Deutsche Christen und Bekennende Kirche
Auch im sogenannten Dritten Reich, dem NS-Regime, gab es eine kirchenpolitische Spaltung, wie in ganz Deutsch-land, so ebenfalls in der badischen Landeskirche. Es war die Spaltung zwischen den Evangelischen Nationalsozialis-ten, die mit Anfängen seit Mitte der 1920-er Jahre existierten und immer mehr an Zulauf und Bedeutung gewannen, später Deutsche Christen / DC genannt, und seit 1934 der Bekennenden Kirche / BK, in ganz Deutschland, in Baden unter dem Namen Badische Bekenntnisgemeinschaft.
Die Anhänger der BK waren in der Minderheit gegenüber den DC. Generell gab es eine große Fluktuation und auch Uneinigkeit und persönliche Wechsel der Zugehörigkeit auf beiden Seiten. Während die DC gleich 1933 ein Parteiorgan gründeten, Der Deutsche Christ, gab die BK nie ein Periodikum heraus; Quellen für sie sind ausschließlich Archivalien.
Die Aktivitäten und Kontroversen beider Parteien geschahen vor dem Hintergrund der politischen wie der kirchenpolitischen Ereignisse. Vier von diesen führten zur Entstehung der Badischen Bekenntnisgemeinschaft, zwei davon als Gegenreaktionen auf Maßnahmen der NS-Seite, zwei als eigene Aktionen der BK:
(1) Der Judenboykott und der sog. Arierparagraph schon im Jahr der Machtergreifung Hitlers 1933, die viele anfangs für Hitler aufgeschlossene Pfarrer nachdenklich werden und umschwenken ließen.
(2) Ebenfalls 1933 erfolgte die Auf-lösung der Landessynode durch die mehrheitlichen Deutschen Christen, die zum Systemumbau führte und an die Stelle des Prälaten und des Kirchenpräsidenten Klaus Wurth (1861‒1948) nach dem Führerprin-zip das Amt eines Landesbischofs (es wurde der damalige Prälat Ju-lius Kühlewein (1873 1948) mit nachgeordnetem Oberkirchenrat) führe. Es stellte sich bald heraus, dass dieser mit Irenik und Unent-schiedenheit versuchte, sich durch die kirchenfeindlichen Zeiten zu lavieren.
(3) Im September 1933 rief der Berlin-Dahlemer Pfarrer Martin Niemöller zur Gründung eines reichsweiten Pfarr-notbundes auf; diesem Aufruf folgte für Baden der Freiburger Pfarrer Karl Dürr.
Barmer Bekenntnissynode und
Barmer Theologische Erklärung
(4) Im Mai 1934 wurde von Bekenntnistheologen, die nach Wuppertal-Barmen zur Barmer Bekenntnissynode ein-geladen worden waren, die (massiv theologische, wenig ereignisbezogene) Barmer Theologische Erklärung veröffentlicht, das Hauptbekenntnis der BK, das heute als Bekenntnisschrift gilt und mit anderen Bekenntnissen zusammen im Gesangbuch steht.
Aus Baden nahmen an der Barmer Synode vier
Hauptvertreter der Badischen Bekenntnisgemeinschaft
teil, drei von ihnen aus Freiburg:
Ihnen standen als
Hauptvertreter der badischen DC
gegenüber, drei von ihnen zumindest zeitweilig in Mannheim tätig:
Fritz Kiefer (1893‒1955), Dr. theol., seit 1925 in Mann-heim Krankenhauspfarrer, seit 1933 Gemeindepfarrer; Propagandachef der Glaubensgemeinschaft DC, 1934 Leiter der DC in Mannheim, als Nachfolger von Sauer-höfer und zusammen mit Kölli Mitglied im Führerrat der DC Gau Baden
Heinrich Sauerhöfer (1901‒1953), 1933‒1935 Pfarrer in Karlsruhe, Christuskirche, 1932 Bezirksleiter des NS-Pfarrerbundes in Mannheim und der Glaubensbewe-gung DC im Kirchenbezirk Neckargemünd, 1933 Perso-nalreferent der Glaubensbewegung DC für Studenten und Vikare; 1936 auf Antrag aus dem Kirchendienst entlassen
Im Juli 1934 erreichten die DC auch Badens
Eingliederung in die Reichskirche in Berlin
und Wiederausgliederung
Als badischer Delegierter wurde
Fritz Voges (1896 vergleichsweise ‒1967), nach Berlin in die Kirchenkanzlei entsandt. Voges war seit 1931 Mitglied der NSDAP, 1932 Landespropagandaleiter der DC, seit 1933 Pfarrer in Karlsruhe, Christuskirche; Bezirksleiter des NS-Pfarrerbundes des Kirchenbezirks Karlsruhe-Land.
Voges‘ Erfahrungen während seines Dienstes in Berlin waren dermaßen enttäuschend, dass er bereits im November 1934 nach Karlsruhe zurückkehrte, sich selbst ganz von den DC trennte und Badens Wieder-ausgliederung aus der Reichskirche bewirkte.
Fritz Voges (1896 - 1967)
Nach den kirchenpolitisch vergleichsweise ruhigen Jahren 1935 bis 1937 brachte das Jahr 1938 zwei Situationen, welche wiederum die gegensätzlichen Positionen der DC und von Anhängern der BK zeigten.
Treueid auf den Führer
Im April forderten Deutsche Christen auch von Pfarrern, wie von den staatlichen Beamten, zum 20. April, dem Geburtstag Adolf Hitlers, den Treueid auf den Führer öffentlich zu leisten. Allerdings durften nur arische Pfarrer den Eid leisten. In der langen, heftigen, kontroversen Debatte dazu wurde unterschieden zwischen Amtseid und Treueid, und dieser in Konkurrenz vergleichsweise zum Ordinationsgelübde gesehen.
Nachdem die Entscheidung dem Einzelnen überlassen worden war, waren es in Baden letztlich nur acht Pfarrer, die den Eid verweigerten. Der bekannteste Verweigerer war:
Egon Thomas Güß (1902‒1991), Pfarrer in Stein bei Pforzheim, Anhänger der BK, obgleich auch mit dieser, wie mit der Kirchenleitung, oft in Meinungsverschiedenheiten verwickelt.
Egon Thomas Güß (1902 - 1991)
Einsetzung einer staatlichen Finanzabteilung im EOK
Im Mai 1938 veranlasste die NS-Regierung die Einsetzung einer staatlichen Finanzabteilung in den Oberkir-chenrat, um die Kirchenleitung, nicht nur bei den Finanzen, unter Kontrolle zu haben, wogegen sich fast die gesamte Pfarrerschaft mit Unterschriftenlisten wehrte. Leiter der FA wurde der Mosbacher Bürgermeister Dr. jur. Theophil Lang (1904‒1944), effektiv jedoch:
Emil Doerr (1882‒1948), Dr. jur., DC-Oberkirchenrat