Buchbesprechung

 

 

 

 

Erinnerungsorte

des badischen Protestantismus.

 

Hrsg. von Ulrich Bayer u. Hans-Georg Ulrichs. Neulingen;

 

Klotz Verlagshaus 2020, 480 S. 113 farb. Abb.

ISBN 978-3 948968-34-2 geb. Euro 29,80

 

Dieser gewichtige, unhandliche Band (knapp 3 Pfund, wegen schwerem gestrichenem Papier und dickem Hardcover-Einband) ver-sammelt aus Anlass des Unionsjubiläums – 200 Jahre Evangelische Landeskirche in Baden 40 Beiträge von 41 Verfassern, darunter acht Autorinnen. Er entstand auf persönliche Initiative hin, auch wenn die Herausgeber ihn anmaßend „so etwas wie eine Festschrift“ nennen. Der zweite Herausgeber ist, ohne dass das angegeben wird, allerdings der landeskirchliche Beauftragte für das Unions-jubiläum 2021, das unter dem Motto „unisono – VIELstimmigEINS“ steht. Der Band enthält auch kein Grußwort oder dergleichen, wie bei Festschriften üblich. Eine Festschrift hätte außerdem kaum einen Umfang von knapp 500 Seiten.

Das Titelwort Erinnerungsorte, auch sonst in der Literatur auftauchend, wurde weit gefasst: Neben zwölf alphabetisch aufeinander folgenden Beiträgen zu badischen Orten im Wortsinn (von Adelshofen mit dem dortigen nicht landeskirchlichen Lebenszentrum bis Wyhl in Erinnerung an den dortigen Protest gegen die Kernenergie; in anderen Beiträgen geht es allerdings oft auch konkret um Orte) gibt es sieben Beiträge zu badischen Regionen (vom Oberland über die „Rheinbrücken“ zwischen Kehl und Straßburg – wieder mehrdeutig gemeint –bis zur Kurpfalz); weiter vier Beiträge zu für die badische Landeskirche bedeutsamen Gebäuden; vier zu schriftlichen Quellen der Landeskirche; drei zu kirchlichen Ämtern in badischer Perspektive und zehn zu weiteren Assoziationen, die an die Landeskirche Baden erinnern mögen. Diese verschiedenen Gruppen von Beiträgen werden jedoch nicht durch Zwischen-überschriften kenntlich gemacht und voneinander abgesetzt. – Eine Zeittafel und eine Landkarte leiten den Band ein, ein Autoren-verzeichnis und ein Namensregister beenden ihn. ‒ Die Herausgeber haben wohl nicht nur die Themen der Beiträge ausgewählt, anscheinend wenig geplant, sondern auch die Autoren bestimmt.

Der erste Beitrag dem Alphabet nach ist Adelshofen (im Kraichgau) gewidmet. Das „Lebenszentrum Adelshofen“ nennt sich „ein freies Missionswerk innerhalb der Evangelischen Landeskirche“. Das Lebenszentrum ist eine Kommunität mit seelsorgerlich-missionarischer Ausrichtung und eigener theologisch-kirchlicher Ausbildung von Gemeindepädagogen. Die Schwestern der Kommunität, darunter eine Gemeindepfarrerin, tragen eine eigene Schwesterntracht. Träger ist ein eingetragener Verein.

Offensichtlich erhielten die Autoren und Autorinnen als Vorgaben, ein kleines Literaturverzeichnis anzufügen und wo Erläuterungen nötig waren, Anmerkungen zu machen. Alle Beiträge werden durch ganzseitige Abbildungen eröffnet, nur wenige haben noch weitere kleine Abbildungen, alle von hervorragender Qualität.

Jeder Leser wird für ihn Interessantes in diesem bunten Vielerlei finden. Gleichwohl wird mancher auch etwas vermissen. Zum Beispiel die Landessynode, welche die Landeskirche, auch rechtlich, repräsentiert, obwohl sie regelmäßig im nichtbadischen, sondern württembegischen Bad Herrenalb zusammentritt. Es gibt zwar einen Beitrag über Bad Herrenalb, in dem sie kurz erwähnt wird – unter H wie Herrenalb eingeordnet, der aber ist der Evangelischen Akademie Badens gewidmet, die ebenfalls dort tagt. Auch hätte man gern etwas über das Amt des Dekans, den es ja vor allem an Universitäten gibt, und damit über die Leitungsebene des Kirchenbezirks gelesen. Oder generell über Kirchenmusik (Gesangbücher haben einen eigenen Beitrag), über Kirchenbau und kirchliche Kunst, über Jugendarbeit (es gibt nur einen Beitrag über das BK-Bibellandheim Brandmatt) oder mehr zur Erweckung (es gibt ja durchaus innerlandeskirchliche evangelikale Gruppierungen, nicht nur Gemeinschaften und Einrichtungen neben der Landes-kirche, wie die aufgenommene Lebensgemeinschaft Adelshofen,). Auf der anderen Seite: Was hat der Bollenhut in solch einem Sammelband zu suchen? Andere Beiträge sind einen ganzen Buchumfang wert (zum Beispiel: Der Sonderweg der badischen Landeskirche im Dritten Reich).

Doch alles in allem: ein vielseitiges interessantes Lesebuch, oder mehr?

 

 

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© Gerhard Schwinge