Buchbesprechung

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Hans Gercke

Kirchen in Heidelberg

 

München: Schnell & Steiner 2011

(Große Kunstführer, Band 258)

112 S., zahlr. farb. Abb., geb.

 

 

Foto: Rainer Boos

Die ehemalige kurpfälzische Residenz und jahrhundertealte Universitätsstadt Hei-delberg hat viele Kirchen, überwiegend evangelische. Etwa 30 werden in diesem Kirchenführer, geordnet nach den Epochen ihrer Erbauung, vorgestellt. Das Buch zeichnen vor allem die hervorragenden farbigen, immer wieder ganzseitigen Ab-bildungen mehrerer verschiedener Fotografen aus. Die umfassendenTexte stam-men von dem Heidelberger Kunsthistoriker Hans Gercke. (Die Zuordnung von Bild und Legende und Text über verschiedene Seiten hin ist oft wenig glücklich und verwirrt den Betrachter.) Ein Plan auf den hinteren Umschlagseiten gibt die Orte der Kirchen in der Stadt an und lässt sie einfach finden; leider werden keine Adres-sen angegeben. Eingeschobene Texte informieren über die für die Bauunterhaltung tätigen ansässigen Stiftungen, die Evangelische Stiftung Pflege Schönau und die Pfälzer Katholische Kirchenschaffnei. ‒ Eine Zeittafel und ein Literaturverzeichnis dienen der weiteren Orientierung.

Die ältesten Kirchen stehen in früher selbständigen, meistens vor etwa hundert Jahren eingemeindeten Dörfern, den heutigen Vororten, so St. Vitus in Hand-schuhsheim aus der Zeit um 1200. Noch älter sind die ausgegrabenen Bauteile früherer Klöster, auf die viele der Kirchen zurückgehen. ‒ Nach den Kirchenbauten des Mittelalters folgen die Kapitel: Gotische Kirchen in der Altstadt, Kirchen der Renaissance und des Barock, Kirchenbauten des Historismus, Kirchenbauten des 20. Jahrhunderts; schließlich werden einige Kapellen und die neue, sehr moderne Synagoge von 2011 vorgestellt. ‒ Die älteren Kirchenbauten sind durchweg nicht mehr in der ursprünglichen Gestalt erhalten, sowohl außen wie auch innen.

Die vier größten, in der Altstadt nicht weit voneinander stehenden Kirchen mit ihren aufragenden Türmen seien besonders hervorgehoben: die gotischen Kirchen Pe-terskirche und Heiliggeistkirche sowie die Providenzkirche und die Jesuitenkirche aus dem Barock; für diese Kirchen gibt es auch jeweils kleine Kunstführer dessel-ben Verlags. ‒ Außer von diesen Kirchen wird das Bild der Altstadt zwischen Fluss und Berg bekanntlich geprägt vom höher gelegenen Heidelberger Schloss und von der Alten Brücke über den Neckar und auch von der Alten Universität mit ihrem Dachreiter. Die schönsten Blicke auf die Altstadt hat man vom Schloss aus und vom Philosophenweg oberhalb des nördlichen Neckarufers.

Die nicht wirklich strukturierten, nicht immer chronologisch geordneten Texte Gerckes zu den einzelnen Kirchen enthalten neben Beschreibungen ihres Istzu-stands oft lange, verwirrende, weil allzu detailreiche Darstellungen zur Archäologie und Baugeschichte. Leider fehlen für die Anschauung eigentlich nötige Grundriss-pläne ganz.

Die Peterskirche, heute Universitätskirche, ist eine große gotische Hallenkirche mit einer eigenen Baugeschichte. Als Heidelberg 1255 Residenz wurde, wurde die Vorgängerkirche St. Peter zur Stadtpfarrkirche. 1485 erfolgte die Grundsteinlegung für den heute noch weitgehend so bestehenden Neubau; 1496 war er vollendet: mit Turmhalle, dem Langschiff mit Pfeilerarkaden und vier Seitenkapellen, darunter die Universitätskapelle mit 18 Grabdenkmälern von bedeutenden Universitätsangehö-rigen, und mit modernen Fenstern von Johannes Schreiter; mit dem Chorraum mit Chorfenstern von 1869 und den modernen Prinzipalstücken Altar und Ambo.

Die Heiliggeistkirche ist die Heidelberger Hauptkirche am Marktplatz, ebenfalls mit einer wechselvollen Baugeschichte. Nach zwei Vorgängerkirchen wurde sie als Neubau 1399 begonnen; 1441 war das Langhaus vollendet, 1471‒1508 wurde der Turm aufgeführt. Schlanke, hoch aufstrebende Pfeiler trennen die gleich breiten Seitenschiffe vom Mittelschiff. Vom Ursprung her Pfarrkirche und fürstliche Grablege, wurde die Kirche auch für die Aufstellung der berühmten Bibliotheca Palatina auf einer der Seitenemporen genutzt; im Dreißigjährigen Krieg wurde diese wertvolle Renaissancebibliothek jedoch entfernt und als Kriegsbeute nach Rom in die Vatikanische Bibliothek verbracht. In der sehr wechselvollen Konfes-sionsgeschichte der Kurpfalz war die Heiliggeistkirche zeitweise Simultankirche zur Nutzung durch beide Konfessionen, bis seit 1705 ein Lettner als Scheidemauer den großen, gleich breiten Chorraum für die katholischen Messen und das Hauptschiff für die evangelischen Gottesdienste voneinander trennte; erst 1936 wurde die Scheidemauer, zum 550. Universitätsjubiläum, endgültig entfernt. Noch heute wird der mächtige Bau von unmittelbar an den Außenmauern angebauten Verkaufs-buden geprägt.

Die Providenzkirche, ehemals lutherische Pfarrkirche, an der nach dem Prinzip cuius regio, eius religio die wechselvolle Konfessionsgeschichte Heidelbergs besonders deutlich wird. Als im Dreißigjährigen Krieg die lutherischen Schweden die Stadt eroberten, machten sie die damalige Dominikanerkirche für die wenigen Lutheraner zu deren Pfarrkirche. Obwohl die Kurpfalz seit dem 16. Jahrhundert als „calvinistisches Mutterland“ galt (Heidelberger Katechismus von 1563), wurde 1659 an der Hauptstraße für eine eigene lutherische Kirche der Grundstein gelegt; 1661 wurde sie eingeweiht: eine Saalkirche mit dreiseitigem Chorschluss und drei Emporen, mit einer Orgel über dem Eingang. 1717 folgte der besonders gestaltete und das Erscheinungsbild der Kirche bestimmende Turm. Die schlichte barocke Einrichtung wird seit 1874 von einem großen farbigen Glasfenster überstrahlt, den Auferstanden darstellend. Seit der badischen Union von Reformierten und Luthe-ranern 1821 ist die Providenzkirche, weiterhin mit diesem Namen, eine der Heidel-berger Altstadtkirchen.

Die katholische Jesuitenkirche ist die vierte der Altstadtkirchen und die heutige Pfarrkirche. Die repräsentative, lichte barocke Hallenkirche wurde nach der Zerstörung Heidelbergs im Pfälzischen Erbfolgekrieg am Ende des 17. Jahrhun-derts im Zuge der Gegenreformation als erster katholischer Kirchenbau nach der Reformation errichtet. Außer dem reich gestalteten Innenraum ist zweierlei bemerkenswert: Die kunstvoll gegliederte Schauwand an der Eingangsseite; und die Tatsache, dass die Kirche nicht nach Osten, wie allgemein bei christlichen Kirchen üblich, sondern gen Süden, nach Rom hin ausgerichtet ist.

                                                                                              G.S., Juni 2019

Der Prediger tritt hinter seiner Botschaft zurück, seine nach

oben weisende Hand verbirgt

sein Gesicht.

 

G.S. als Pastor auf der Kanzel der

St.-Florians-Kirche aus dem

13. Jahrhundert in Sillenstede (Nordoldenburg), ca. 1965

Der Vortragende hat seine Zuhörer im Blick

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© Gerhard Schwinge