Buchbesprechung

 

 

 

 

 

 

Das evangelische Pfarrhaus
im deutschsprachigen Südwesten

 

 

 

Stuttgart 2014 (2. Aufl. 2015), 354 S., XXXII Bildtafeln mit 70,

meist farb. Abb., geb. 34 € – ISBN 978-3-7995-7838-7

(2915: 978-3-7995-7832-5)

 

(Besprechungen des Bandes in: Jahrbuch für bad. Kirchen- und Regionalgeschichte 8/9. 2014/2015, S. 474‒477 durch Annette Borchardt-Wenzel und in: Deutsches Pfarrerblatt 12/2014, S. 718f.

durch Klaus Schnabel.)

 

Am Anfang dieses Sammelbands mit 15 Aufsätzen stand eine Tagung, gemeinsam im Februar 2012 veranstaltet von der Arbeits-gemeinschaft für geschichtliche Landeskunde am Oberrhein und dem Verein für Kirchengeschichte in der Evang. Landeskirche in Baden. Die fünf Vorträge der Tagung wurden durch zehn weitere Aufsätze zum Thema ergänzt. Weil darunter über Baden und Württemberg hinaus auch Beiträge zum Elsass und zur Schweiz zu finden sind, heißt es im Buchtitel „im deutschsprachigen Südwesten“. Pfarrhaus meint, bis auf einen Beitrag, immer Pfarrfamilie.

So werden immer wieder auch einzelne Pfarrerfamilien und ihre Vernetzungen beschrieben. In einem Beitrag geht es um badische Pfarrerfamilien, manchmal geradezu um Pfarrerdynastien. So u.a. die Herrmanns oder die Schmitthenners als extreme Beispiele: im Badischen Pfarrerbuch von Heinrich Neu von 1939 sind seit dem 16. Jahrhundert 18 Pfarrer mit dem Namen Herrmann und seit dem 18. Jahrhundert zwölf Pfarrer Schmitthenner verzeichnet.

 

Allzu breiten Raum nimmt ein Beitrag über das Pfarrhaus im wörtlichen Sinn, also architektonisch. ein, mit allein 70 Abbildungen auf gesonderten Bildtafeln.

 

Das evangelische Pfarr-Haus im Sinne von Pfarr-Familie ist hier überwiegend kultur- und bildungsgeschichtlich behandelt. Viele berühmte Gestalten der Geistesgeschichte stammen aus evangelischen Pfarrhäusern. Aber ebenso wird der Blick immer wieder kritisch auf Gegenwart und Zukunft dieser Institution gerichtet.

 

Zwei Beiträge seien kurz hervorgehoben. Georg Gottfried Gerner-Wolfhard kommt in seinem Beitrag über das evangelische Pfarrhaus in Baden im 19. und 20. Jahrhundert (S. 249‒269) zu dem Ergebnis, dass das evangelische Pfarrhaus im Schwinden begriffen ist, weil es die traditionelle Pfarrfamilie mit den klassischen Rollenbildern nicht mehr gebe: wegen der eigenwertigen Berufsausbildung der Ehepartner, der Ablösung einer strikten Konfessionsbindung in der Eheschließung oder des Verzichts auf Ehe überhaupt, bis hin zum Wegfall des Pfarrhauses als Dienstwohnung in Verbindung mit dem Pfarramt.

 

In ihrem Beitrag über Pfarrfrauen im 20. Jahrhundert (S. 71‒95) schildert Sabine Liebig das Selbstwertgefühl der Pfarrfrauen heute, nicht mehr (nur) als Anhängsel ihrer Männer, sondern als selbstbestimmte und selbstbewusste, moderne Frauen. Insbesondere werden die Fragen der Vereinbarkeit von Privatleben und der gemeindeöffentlichen Wahrnehmung der Pfarrfamilie, der Rollenerwartung an die Pfarrfrau und einer eigenen Berufsausbildung behandelt.

 

Dabei spielt die wachsende Zahl der Pfarrerinnen und damit ihrer (meist ebenfalls berufstätigen) Pfarrmänner eine bisher unbekannte Rolle, zudem heute annähernd zwei Drittel der Theologiestudierenden weiblich sind und im Pfarrdienst in Baden bereits mehrheitlich Pfarrerinnen stehen.

 

Unter den 13 Autoren – nur eine Autorin ist im Band vertreten – sind einige Pfarrerssöhne, wie sich denken lässt. Ein umfangreiches Orts- und Personenregister schließt den Band ab. – Die Problematik von homophilen Pfarrerinnen oder Pfarrern, womöglich im Pfarrhaus mit Pfarramt wohnend – durchaus akut, wird nirgends angesprochen.

 

So steht am Ende eines der Aufsätze als Fazit: Das Pfarrhaus ist leer, das evangelische Pfarrhaus im Sinne der evangelischen Pfarrfamilie ist abgängig. Wie wird es weitergehen?      

 

                           

                                                                                                                                                                                             

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© Gerhard Schwinge