Buchbesprechung
Es handelt sich um einen von fünf Bänden eines Gesamtwerks, konzipiert und geplant ab 2003 gemeinsam von damals fünf Herausgebern, unter ihnen der 2008 verstorbene Heidelberger Kirchenhistoriker Prof. Dr. Gottfried Seebaß.
Dies ist der als vorletzter erscheinende Band; es fehlt noch Band I: Kirchenleitung. Zuerst erschien 2007 Band V: Kultur und Bildung (Hrsg.: G. Schwinge); 2010 erschien Band II: Kirchenpolitische Richtungen (Hrsg.: J. Ehmann) und 2015 erschien Band IV: Erweckung, Innere Mission/Diakonie, Theologinnen (Hrsg.: G. Schwinge).
Nur die Bände IV und V enthalten unter den Lebensbildern auch solche von Frauen und unter den Autoren auch Autorinnen als Verfasserinnen.
Grundsätzlich werden in Lebensbilder-Bänden, wie anderswo ebenso, nur Verstorbene gewürdigt, wobei die Art der Darstellung den Autoren und Autorinnen weitgehend freigestellt blieb, so dass sie recht unterschiedlich ausfiel (essayistisch, erzählend, reflektierend, forschungsgeschichtlich). Die Beiträge sind sogar mehrheitlich keine Lebens-bilder im eigentlichen Sinne, sondern Referate über das theologische Werk des Betreffenden – mehr für speziell Interessierte interessant. Insofern hätte der Band besser Heidelberger Universitätstheologen geheißen statt Heidel-berger Universitätstheologie. ‒ Nachträglich stellte sich außerdem heraus, dass es besser gewesen wäre, wenn die Herausgeber wegen der Vereinheitlichung von Anfang an Vorgaben für die Abfassung eines Lebensbilds gemacht hätten: als wissenschaftliche Darstellung, mit Anmerkungen und Quellen- und Literaturverzeichnis.
Die Lebensbilder dieses Bandes zu den nach Meinung des Herausgebers 22 bedeutendsten Theologen der Universität Heidelberg im 19. und 20. Jahrhunderts sind nicht nach den Fachrichtungen der Theologie geordnet, zumal diese früher weniger klar abgegrenzt waren und ein Professor mehrere vertreten konnte. Vielmehr werden sie chronologisch nach den Geburtsjahren der aus schätzungsweise dreimal so vielen Professoren der letzten beiden Jahrhunderte Ausgewählten geordnet. Insofern handelt sich nicht um eine Fakultätsgeschichte. Es sei denn, man ordnet die Personen nach der Zeit ihrer Tätigkeit in Heidelberg (dann würde Paulus nicht an erster, sondern an dritter Stelle stehen, und Daub an erster).
Auflistung der Beiträge, mit Ergänzungen
Johann Ludwiig Ewald in Bd. I 1805-1807 Moral- u. Pastoralth.
Heinrich Eberhard Gottlob Paulus
(1761–1851) 1811-1844 Exegese,Kirchengech.
Carl Daub
(1765–1836)
1796-1836 Dogmatik, Exegese
Friedrich Heinrich Christian Schwarz (1766–1837) 1804-1837 Dogmatik,
Pädagogik
Friedrich Wilhelm Carl Umbreit
(1795–1860) 1820-1860 AT
Richard Rothe (1799–1867)
1837-1849 und 1854-1867 NT, Dogmatik
Carl Bernhard Hundeshagen (1810–1872)
1847-1867 NT
Daniel Schenkel in Bd.
II
1851-1884 Theologie, Philosophie
Heinrich Holtzmann
(1832–1910)
1858-1874 NT
Heinrich Bassermann
(1849–1909)
1876-1909 Prakt. Theologie
Hans von Schubert
(1859–1931)
1906-1928 Kirchengeschichte
Johannes Bauer (1860–1933)[1]
1910-1929 Prakt. Theologie
Johannes Weiß
(*1863)
1908-1914 NT
Ernst Troeltsch (*1865) 1894-1915 Theologie, Philosophie
Walther Köhler
(1870–1946)
1929-1935 Kirchengeschichte
Martin Dibelius
(1883–1947)
1915-1947 NT
Peter Brunner
(1900–1981)
1947-1968 Dogmatik
Gerhard von Rad
(1901–1971)
1949-1967 AT
Heinrich Bornkamm
(1901–1977)
1948-1967 Kirchengeschichte
Edmund Schlink
(1903–1984)
1946-1971 Ökumen. Theologie
Hans von Campenhausen
(1903–1989) 1945-1969 Kirchengeschichte NT
Günther Bornkamm
(1905–1990)
1949-1971 NT
Herbert Krimm in Bd.
IV
1951-1971 Diakoniewissenschaft
Claus Westermann
(1909–2000)
1958-1978 AT
Hans Walter Wolff
(*1911) 1967-1978
AT
Philipp Vielhauer
(1914–1977)
??? NT
Hans-Werner Gensichen
(1915–1999) 1957-1983
Missionswisenschaft
Heinz Eduard Tödt (1918–1991)
1963-1983 Sozialethik
Über die Auswahl der vor dem Jahr 2000 verstorbenen Professoren (wohl zunächst von Seebaß vorgenommen [2]) kann man streiten; Professorinnen gab es zu der Zeit noch nicht. Der eine oder andere mag den Neutestamentler Johannes Weiß (geb. 1863) vermissen oder den Systematiker Ernst Troeltsch (geb. 1865) oder den Alttestamentler Hans Walter Wolff (geb. 1911). Auf Vielhauer (geb. 1914) und Gensichen (geb.1915) hätte mancher vielleicht ver-zichten mögen.
Trotzdem handelt es sich in etwa um eine Theologiegeschichte, nicht nur um einzelne Heidelberger Theologen. Wünschenswert wären auch Hinweise auf Lehrer-Schüler-Beziehungen gewesen.
In der Geschichte der Heidelberger Fakultät gab es zwei besondere Phasen. Als 1803 die reformierte Kurpfalz der lutherischen Markgrafschaft Baden zugeschlagen wurde, wurde die bis dahin reformiert geprägte Fakultät durch die Berufung eines Lutheraners (Schwarz) bikonfessionell.
Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es in den ersten fünf Jahren sechs Neuberufungen, die eine Hochphase der Fa-kultät herbeiführten, welche rund ein Vierteljahrhundert anhielt und auf die ganz Deutschland blickte. Auch der Ver-fasser dieser Buchbesprechung studierte Mitte der 1950er Jahre drei Semester in Heidelberg und hörte die Profes-soren in Vorlesungen oder / und Seminaren: Gerhard von Rad, Hans von Campenhausen, die Brüder Bornkamm, Peter Brunner, Edmund Schlink. Drei von diesen bezeichneten sich übrigens ausdrücklich als evangelisch-lutherisch: Brunner, Schlink und von Rad. Schlink hatte sogar Bedenken, in die unierte badische Landeskirche zu wechseln. Zumindest einer von Ihnen, Brunner, konnte im traditionell liberalen Baden und im liberalen Heidelberg nur als das Gegenteil, als lutherisch konservativ gelten.
Unter-Gruppierungen wie in Bd. IV und V, wäre in Band III wie in Band II auch möglich gewesen- Fakultätsge-schichte: die ersten vier Jahrzehnte des 19.Jh.s als Neuorganisation[3] / die Kaiserzeit / die 2½ Nachkriegs-Jahrzehnte als Blütezeit
Zwei Einrichtungen der Universität aus diesen ersten Nachkriegsjahren waren deutschlandweit neu: seit 1946 das Ökumenische Institut des Ökumenische Theologie lehrenden Schlink und das 1954 von Prof. Herbert Krimm ge-gründete und geleitete Diakoniewissenschaftliche Institut.
Die Lebensbilder von drei Professoren, die ebenfalls in diesen Band III hätten aufgenommen werden können, wurden schon in anderen Bänden veröffentlicht und damit anderen Sachgebieten zugeordnet: der Kirchen- und Ministerialrat Johann Ludwig Ewald in Band I, der umstrittene Predigerseminardirektor Daniel Schenkel in Band II, der Diakoniewissenschaftler Herbert Krimm in Band IV.
Immer wieder waren Heidelberger Professoren auch mit der badischen Landeskirche verbunden: als Vorbereiter und Gestalter der Union von 1821 (Friedrich Heinrich Christian Schwarz), als Gründer und Direktoren des Predigerse-minars seit 1838 (Richard Rothe und Daniel Schenkel), als berufene Mitglieder von General-, später Landessynoden, als Prüfer bei den theologischen Examina. – Fast immer an die Professoren verliehene Titel waren: Kirchenrat bzw. Geh. Kirchenrat.
[1] Das Lebensbild Bauer, verfasst von dessen Enkel Benrath, wurde vom Herausgeber Ehmann „bearbeitet“, ohne dass gesagt wird, warum und in welchem Umfang.
[2] Wie weit die Vorarbeiten gediehen waren, wird nicht gesagt.
[3] Vgl. Alexander Bitzel: Die Universität Heidelberg und ihre theologische Fakultät im 19. Jahrhundert. In: Erinnerungsorte des badischen Protestantismus, Neulingen 2020, S. 73‒87.
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